Es war mal wieder eine herrliche Begegnung mit Andreas Dorau. Wir hatten uns 2019 schon einmal getroffen und er erinnerte sich noch daran, dass ich immer versucht habe, ihm Essen als Genussmittel schmackhaft zu machen. Bei ihm bleibt die Nahrungsaufnahme pragmatisch. Das ist auch ok. Pünktlich zu seinem neuen Album „Wien“ trafen wir uns erneut in Berlin am Küchentisch. Mit einer guten Tasse Kaffee, wobei Andreas den Kaffee eher in Milch ertränkt, sprachen wir natürlich über sämtliche Food-Erlebnisse und Köstlichkeiten aus der Stadt der Sachertorte. Aber auch Innereien in Mehlsuppe verspeist der Musiker ganz gerne hin und wieder. Mit Falco kann man ihn jagen und mit EAV fast vergraulen. Und jetzt viel Vergnügen und guten Appetit!
Wann warst du zuletzt in Wien?
Andreas: Mit Gunther Buskies und Carsten Friedrich habe ich 2023 eine Recherchereise gemacht, als klar war, dass ich ein Album über Wien mache. Und dann war ich noch mal für Promo vor einem Monat dort. In meinem Leben war ich aber schon sehr oft in Wien.
Wann warst du das erste Mal da?
A: Als Kind. Ich bin mit meinen Eltern immer nach Italien in den Urlaub gefahren. Und dann muss man ja Zwischenstopp machen. Das wäre eigentlich Salzburg, aber mein Vater wollte immer nach Wien. Und das erste Bild, dass sich bei mir eingeprägt hat waren die Lipizzaner der Wiener Hofreitschule und das gute Essen.

Und auf das gute Essen wollen wir jetzt näher eingehen.
A: Es gibt zwei Themen, über die ich gerne ein Stück schreiben wollte, aber leider nicht hingekriegt habe. Da war zum einen, das Dritte Mann Museum (in der Nähe des Wiener Naschmarkts!). Ganz tolles Museum. Kann ich nur jedem empfehlen. Privat geführt und der Betreiber macht das richtig gut. Im Keller befinden sich noch Dokumentationen zur Geschichte Wiens in den verschiedenen Zonen. Unter dem Aspekt politische Bildung ein höchst interessantes Museum.
An den Film „Der Dritte Mann“ musste ich auch noch mal denken. Habe ich ewig nicht gesehen und müsste ihn mir noch mal anschauen.
A: Ja, sollte man machen und gehört in die Top 10 meiner Lieblingsfilme. Wenn man beim Museum reinkommt, dann hängt da ein Bild vom Kind Hansel. Das ist das Kind, dass im Film den Ball fallen lässt und den hebt Orson Wells dann auf und wird enttarnt. Und dieses Bild mit dem Kind und den aufgerissenen Augen, dass verfolgt einen geradezu. Für das Album wollte ich dieses Bild von dem Kind beschreiben, aber habe es nicht hinbekommen. Über Essen wollte ich auch schreiben. Darüber habe ich sehr viel nachgedacht. Es gibt tatsächlich kaum gelungene Stücke über Lebensmittel. Dazu habe ich auch eine These. Die wenigen Songs, die es gibt, sind den Künstlern oft eher peinlich. Ja, ganz gut geworden, aber sind jetzt auch nicht die Lieblingsstücke der Künstler.
Wie würde wohl ein Song über ein knuspriges Wiener Schnitzel klingen? Ernsthaft kann man da wahrscheinlich keinen Song daraus machen.
A: Und ich mache nur ernsthafte Songs. Ich hatte mal über Mehlspeisen nachgedacht… Es gab zig Anläufe, aber das hat nicht funktioniert. Gestern war ich mit Gereon Klug bei Hanseplatte in Hamburg. Gereon ist so ein Listen-Typ und da habe ich im Vorfeld mal recherchiert, um ihn zu foppen und da gibt es von Radioeins eine Liste mit 100 Songs über Essen. Kannst du dir auch mal angucken.
Stimmt. Die 100 besten Songs über… ein bestimmtes Thema. Das machen die im Sommer gerne.
A: 90 Prozent der Stücke habe nichts mit Essen zu tun. Da ist das Essen eben nur ein Synonym für was anderes. Zu den berühmteren Stücken gehören „Carbonara“ von Spliff oder „Currywurst“ von Herbert Grönemeyer.
Werden auch immer noch gerne gespielt.
A: „Carbonara“ ist ein Kifferstück. „Ich bin schon lull und lall“ heißt doch, ich bin so dicht, wie eine Natter. Die sind bekifft und ziehen sich schön fettige Spaghetti rein.
Grönemeyer singt aber live auch noch seine „Currywurst“.
A: Das habe ich auch recherchiert. Zwischenzeitlich hat er sich von dem Stück distanziert. Der Text ist übrigens von Dieter Krebs, denn die beiden waren gleichzeitig am Schauspielhaus Bochum. Und dann gibt es ja noch „Aber bitte mit Sahne“ von Udo Jürgens. Das ist gesellschaftskritisch, wo sich in den 1970ern über Spießer lustig gemacht wurde. Eigentlich geht es um die Nachkriegsgeneration. Aber so richtige Oden an Lebensmittel gibt es sehr wenige. Ich habe mich wirklich daran versucht und musste sehr viel Papier in den Mülleimer schmeißen.
Was ist denn dein persönliches Lieblingsgericht?
A: Was habe ich denn beim letzten Gespräch behauptet?
Beim letzten Mal warst du eher nicht so begeistert von Essen und Kochen.
A: Du wolltest aber auch, dass ich immer so was Genießerisches sage und bei mir ist Essen eher so eine pragmatische Handlung. Ich bin halt kein Genuss-Typ, so.
Stimmt, ich erinnere mich. Und auf gar keinen Fall Fischbrötchen am Hamburger Hafen. Das war lustig.
A: Wenn ich in Wien bin, gehe ich immer zuerst zu Trześniewski.
Das habe ich noch nie gehört.
A: Das ist eine österreichische Kette und die haben so eine Art Canapés. Bei denen heißt das aber Brötchen, frag mich bitte nicht warum. Es ist eine Scheibe Graubrot mit einer Paste drauf, darin ist sehr viel Ei, also auch für Vegetarier geeignet und enorm lecker. Dazu wird ein kleines Bier gereicht. Das habe ich jetzt nicht getrunken, aber sieht optisch ganz schön aus und nennt sich Pfiff. Ist wie so ein Schnapsglas und wird wohl mittags dazu gerne getrunken.
Das ist nicht viel. Also, wie eine Stulle mit Bier.
A: Nein, keine Stulle. Es ist rechteckig… soll ich es dir aufzeichnen? Google mal Trześniewski und dann siehst du es.
Das werde ich tun. (Hier sieht man die kleinen „Brötchen“. (Andreas hat das schon ganz gut erklärt.) Und Sachertorte hast du bestimmt auch dort gegessen?
A: Die esse ich auch gerne. Wiener Schnitzel mag ich auch sehr gerne. Und was ich auch sehr interessant finde: Das gibt es in Deutschland überhaupt nicht, Backhendl. Ein gutes Kalbsschnitzel, also Wiener Schnitzel bekommt man hier ja auch, aber Backhendl taucht auf deutschen Speisekarten sehr selten auf.
Backhendl war auch so was Gebackenes?
A: Eigentlich wie beim Wiener Schnitzel, wo sich die Panade vom Hähnchen löst. So ein ähnlich-spezielles Panierverfahren.
Früher gab es bei uns eher Schnitzel mit Schweinefleisch, weil günstiger…
A: Das ist dann Schnitzel Wiener Art, das mag ich auch. Und das Kalbsschnitzel auch gerne mit Preiselbeeren und Zitrone.
Und Kartoffeln dazu.
A: In Wien wird Kartoffelsalat dazu gereicht. Und zwar der mit Essig und Öl.
Und kennst du Beuschel?
A: Das ist was mit Niere, glaube ich.
Das ist wohl Ragout vom Lungenflügel, Herz und andere Innereien. Vielleicht auch Niere.
A: Beuschel kenne ich aus Bayern. Das ist in so einer mehligen Soße, mag ich. Ich habe keine Probleme mit Innereien. Es gibt noch ein Gericht, wo ich erst später erfahren habe, dass es sich um Pansen handelt. War das vielleicht Beuschel? (Oder Kutteln?). Wir hatten früher einen Hund und deshalb kenne ich Pansen, weil wir die für ihn immer gekocht haben. Und das ist ein fürchterlicher Gestank.
Ich stelle mir das so vor, wie Haggis. Da ist auch alles drinnen. Habe ich, als ich noch Fleisch gegessen habe, aber auch nie probiert. Was ist denn dein Lieblingsplatz in Wien?
A: Sowas wie Lieblingsplätze habe ich gar nicht. Ich habe auch in Hamburg keinen.
Stimmt, ich erinnere mich, dass hast du bei unserem letzten Gespräch auch schon mal gesagt. Und kochen tust du auch nicht so gerne?
A: Ich koche. Öfter auch das Gericht mit langer Garzeit aus meinem Sacher Kochbuch, das Wiener Saftgulasch. Das braucht 3 ½ Stunden.
Bis das Fleisch schön zart ist. Tafelspitz ist auch noch so ein Klassiker.
A: Tafelspitz mit Creme sagt man ja in Österreich.
Und Meerrettich.
A: Aber geraspeltem Meerrettich. Also, nicht in der Soße, so wie man das hier in Deutschland macht, sondern man streut sich das selbst frisch über das Fleisch.
Das klingt gut. Da bekomme ich schon fast Hunger. Und Palatschinken sollten wir nicht vergessen.
A: Mag ich nicht.
(Lacht)
A: Ich bin großer Fan des Kaiserschmarrn. Der verwandt ist mit dem Palatschinken, aber dann lieber Kaiserschmarrn. Mit Salzburger Nockerl kannst du mich um den Block jagen.

Und warum?
A: Sind mir zu süß. Baiser hasse ich auch.
Apfelstrudel?
A: Mag ich auch gerne. Das Problem beim Wiener Essen ist, ich mag den Kaiserschmarrn gerne und hätte aber auch gerne das Wiener Schnitzel. Das Schnitzel in Wien ist sehr mächtig und danach noch den Kaiserschmarrn. Das schafft man gar nicht. Da sind die Augen immer größer als… ja. Du weißt, was ich meine.
Stimmt. Eigentlich ist der Kaiserschmarrn schon eine Hauptmahlzeit.
A: Genau. Was auch interessant ist. In Japan essen sie auch sehr gerne Schnitzel. Und da war ich mal in einem Restaurant und am beliebtesten sind bei den Japanern die Schnitzel mit dem meisten Knorpel drinnen.
In Japan warst du also auch schon. Eigentlich könntest du so ein Konzept daraus machen und zu jeder Hauptstadt ein Album veröffentlichen.
A: Tatsächlich könnte ich daraus eine Serie machen, aber ob ich das mache, weiß ich noch nicht. Ich habe gerade auch sehr viele Alben hintereinander rausgebracht. Ich möchte auch gerne eine Pause einlegen.
Du bist sehr fleißig. Erst letztes Jahr kam „Im Gebüsch“ raus.
A: Das „Wien“ Album hatte ich auch schon angefangen, bevor das „Gebüsch“ rauskam. Hat sich so ein bisschen überlappt.
Auf „Wien“ hast du auch Stefanie Schrank (Locas in Love) mit dabei. Sie hat letztes Jahr mit dir hier in Berlin gespielt. Wie seid ihr zusammengekommen?
A: Ich wurde von ihrem Booker gefragt, aber kannte sie auch schon, weil wir auch mal zusammen bei „Unter Meinem Bett“ waren. Ihr Booker mit dem ich auch befreundet bin, hat gefragt, ob ich mir das vorstellen kann und da habe ich sehr gerne ja gesagt.
Der Song mit Steffi heißt „Lass Uns Spazieren Gehen“. Gehst du gerne spazieren?
A: Nein.
Das hätte mich auch gewundert.
A: Das Stück handelt auch nicht davon.
Ich weiß, aber die Frage bot sich ja an. Und wenn du in Wien unterwegs bist, dann läufst du doch dort auch durch die Straßen.
A: Spazierengehen ist ja Lustwandeln, also ohne ein bestimmtes Ziel und ich brauche immer ein Ziel.

Nach einem Spaziergang kannst du auch immer irgendwo einkehren. Oder man geht dann noch in eine Galerie oder in ein Museum.
A: Ja, aber da geht man ja dann hin, und das ist kein Spazieren. Die Beschäftigung zu Fuß zu gehen, damit habe ich gar kein Problem, wenn es mit einem Ziel verbunden ist. Aber nur wahllos in der Gegend rumwandern, nein. Dabei fallen mir noch die Würstl ein. In Wien wimmelt es nur so von Wurstständen. Ich kenne keine Stadt mit so vielen Wurstbuden. Als nächstes würde mir Köln einfallen. In Wien steht an jeder Ecke eine Bude. Den Senf mag ich da auch sehr gerne und ab und zu eine Eitrige. Das ist die Käsekrainer und bei der verbrennt man sich immer den Mund, weil der geschmolzene Käse darin zu heiß ist.
Die Eitrige ist ein spezieller Name, aber ich erinnere mich. Die ist ganz saftig.
A: Und gefährlich, weil wirklich sehr heiß.
Da muss man ordentlich pusten. Auf deinem Album gibt es auch ein Stück über das Riesenrad am Prater. „Runde Um Runde“. Sollte man den Prater besuchen?
A: Bei meinen zwei letzten Aufenthalten war ich in einem Hotel in der Nähe des Praters. Das war immer im Winter und da ist der Prater zu. Und wahrscheinlich war ich da auch mal als Kind, aber das ist nicht bei mir hängen geblieben. Und es stimmt. Es gibt das Stück über das Riesenrad, aber da geht es um Höhenangst. Und wir haben uns das Prater-Museum angeguckt, aber das fand ich eher enttäuschend.
Du warst also nicht auf dem Riesenrad?
A: Nein, das ist eine fiktive Geschichte über eine Person, die aufgefordert wird, da einzusteigen. So nach dem Motto, wird schon nicht so schlimm sein, aber dann die Entscheidung bereut.
Ich mag Höhe auch nicht.
A: Vor fünf Jahren, das ist leider im Skiurlaub passiert, das war besonders blöd, da konnte ich nicht mehr mit der Gondel fahren. Ich habe Panikattacken bekommen.
Ich habe gelesen, Falco findest du auch gar nicht mal so gut?
A: Falco finde ich kacke. Wir haben uns in Österreich den Spaß daraus gemacht, das hatten wir so gar nicht erwartet, aber alle haben sich dort auf Falco geeinigt. Du wirst schief angeguckt, wenn du ihn kritisierst. Wenn du was gegen den Hansi sagst, dann kommt das nicht gut an.
Ich fand EAV früher ja ganz gut.
A: Boah. Also, ich kann verstehen, wenn eine sechsjährige Person das lustig findet. Da kann man dem Kind keine Vorwürfe machen, dass es auf irgendwelche verkleideten Männer reinfällt, aber ich finde EAV einfach nur widerlich.
Stimmt, wenn man das heute noch mal hört…
A: Guck dir die Typen doch einfach noch mal an. Das sind unangenehme Gestalten.
Da war ich auch noch ein Kind.
A: Es gibt drei Phasen, bei denen sich die Musik bei Menschen einbrennt. Die erste Musik ist eigentlich die intensivste. Und als Kind mag man bunte Sachen, flotte Musik mit bunten Menschen.
Ich habe auch Klaus Lage gehört. Auch schlimm.
A: Äh, Ja, aber nicht so schlimm wie EAV.
Was hast du denn als Kind gehört?
A: Sweet. Das sind auch bunte Menschen mit flotter Musik. Purster Kommerz, so wie EAV auch. EAV kommen ja aus dem politischen Kabarett und wollten dann irgendwann viel Geld verdienen. Und dann haben sie knüppelhart ihre Doofie-Gassenhauer rausgehauen. Und die Stücke sind zynisch. Also, EAV finde ich wirklich ganz schlimm.
Schlimmer als Falco?
A: Ja.
Und warum findest du Falco so schlimm?
A: Im Grunde sind das doch gesungene Tourismusbroschüren. Diese Selbstinszenierung gefällt mir auch nicht. Also, bei Musik funktioniert es ja so: Mag man das Stück? Funktioniert es emotional? Nein. Kann man mit dem Image, der Figur etwas anfangen? Findet man das interessant…Nein.
Du hast also nie in der Disko oder auf einer Party zu „Amadeus“ oder „Vienna Calling“ getanzt?
A: Nein, da habe ich ja selbst schon Musik gemacht. Seine und meine Musik, das lief gleichzeitig. Ich bin weitaus älter als du wahrhaben willst.
Stimmt. Das ist eigentlich die gleiche Zeit gewesen.
A: Nicht eigentlich, genau die Zeit. Wir waren auch mal bei der gleichen Plattenfirma.
Hast du ihn auch mal kennengelernt?
A: Nein.
Falco hatte auch was Arrogantes an sich. Oder so überheblich, wie auch Wanda und Bilderbuch rüberkommen. Da finde ich es aber eher gekünzelt und nervig. Wie ist denn der echte Wiener so?
A: Der Wiener ist charakterlich oder von seiner Art am weitesten entfernt von einem Hamburger.
Gibt es den Wiener Schmäh noch?
A: Der blitzt manchmal noch auf, was ich aber auch ganz unterhaltsam finde. Es ist so eine verlogene Schleimigkeit, die ich ganz gut finde.
Anders als der Berliner.
A: Der Berliner, sofern es den überhaupt hier noch gibt, der ist ja eher unfreundlich. Wird ihm nachgesagt. Aber das sind alles veraltete Klischees.
Das stimmt. Nicht jeder Kölner ist auch immer lustig und nett. Ich habe jetzt auf jeden Fall noch mal Lust auf Wien.
A: Und da musst du auf jeden Fall in das Dritte Mann Museum. Das ist wirklich ganz toll. Hat aber schwierige Öffnungszeiten. Das musst du gut planen.
Lieber Andreas, ich danke dir für das Gespräch!
A: Ich danke dir.
Fotocredits: Andreas Dorau, Markus Göres
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