„Ganz ehrlich, manche Sachen, die ich höre, dafür gehören die Leute in den Knast.“

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„Frank würde gerne mit dir zu Abend essen“, so die Worte des Promo-Managers per E-Mail. Na, sehr gerne. Und so taten wir es dann auch. An einem verregneten Dienstagabend traf ich Frank Spilker von Die Sterne in einem Restaurant in Neukölln. Es gab „Veggie in Love“ und pfannengerührte Reisnudeln mit Garnelen. Vietnamesisch-thailändische Speisen nach traditionellen Familienrezepten. Frank Spilker ist ein sehr entspannter Interviewpartner. Er hat eine sehr beruhigende Stimme, deshalb hört man ihm auch so gerne beim Singen zu. Sogar wenn er über Grützwurst, Wurstebrei und Innereien spricht, klingt das geschmackvoll und man hängt ihm auch als Vegetarier an den Lippen. Der Musiker kennt sich aus in der Landwirtschaft und isst immer seinen Teller auf. Ein geschlachtetes Tier sollte stets komplett verwertet werden. Seit er nicht mehr raucht kocht er sehr gerne, und beim Kartoffeln schälen fallen ihm Songtexte ein. Vielleicht ist diese Lyrik auch in das neue Album der Sterne eingeflossen?! Ab sofort sollte man in diese Platte rein hören. „Der Arsch ist die Message“: Diskriminierende und rassistische Äußerungen müssen endlich, wie in der Schweiz, bestraft werden! Und sein Testament hat er bis jetzt noch nicht verfasst. Aber fangen wir mal vorne an.

Was gab es heute bei dir zum Frühstück? Bist du noch der Kaffee und Kippe-Typ? Oder lieber deftig und üppig?

Frank: Da sagst du was mit dem Rauchen. Das ist so ein Appetitzügler. Ich rauche jetzt seit fast 20 Jahren nicht mehr. Ich bin schon jemand, der erst mal einen Kaffee trinkt bevor er was isst. Aber es dauert nicht mehr so lange, bis sich dann der Appetit durchsetzt.

Der Klassiker früher dann erst Kaffee und dann die Kippe…

Frank: Genau. Das habe ich auch lange so gemacht und erst beim Rausgehen mitbekommen, dass ich hungrig bin. Ich brauche jetzt auch nicht jeden Morgen ein Hotelfrühstück, aber ab und zu gönne ich mir das ganz gerne. Gerne auch üppig mit Rührei und so.

Früher ist man auch häufiger auswärts Frühstücken oder zum Brunch gegangen. Macht man heute weniger, oder?

Frank: Das hat tatsächlich mit den Kindern zu tun, weil das völlig anstrengend ist, die entweder weg zu organisieren oder in so einem Café zu beschäftigen. Dann müsste das vielleicht ein Café mit Spielplatz sein. Heute sind meine Kinder schon erwachsen und das wäre kein Hinderungsgrund mehr. Aber ich kann mich noch an die Zeit erinnern, weil wir relativ früh Kinder bekommen haben. Alle anderen haben sich zum Frühstück verabredet und wir haben immer gesagt: „Nee, kein Bock“. So Dreijährige turnen dir nur auf dem Schoß herum.

Stimmt. Das will man nicht. Was ist denn das Lieblingsgericht aus deiner Kindheit?

Frank: Wir hatten viele. Unsere Haushaltshilfe, die aus Ostpreußen kam, hat jeden Freitag bei uns geputzt und Königsberger Klopse gemacht. Ein anderes Highlight war immer dann, wenn ich mit meiner Mutter zum Einkaufen gefahren bin. Da wir auf dem Land gewohnt haben, wurden immer Großeinkäufe für die nächsten Wochen gemacht, also bevor es den Eismann für die Tiefkühlkost gab (lacht). Somit ging es einmal im Monat in die Metro. Bei diesen Einkäufen gab es dann immer einige Delikatessen, wie Schnecken oder auch mal eine riesige Pferdewurst.

Und das mochte man als Kind?

Frank: Ich habe das gerne gegessen. Ich habe Schnecken geliebt. Da gab es in meiner Familie aber auch einen Graben: Mein Vater und mein Bruder mochten das nicht, und ich habe das dann mit meiner Mutter gegessen, weil die auch so eine kulinarische Ader hat.

Sie hat dann auch meistens bei euch gekocht?

Frank: Meine Eltern hatten ja sowas wie einen Kleinbauerbetrieb und beide haben gearbeitet, deshalb hatten wir auch die Haushaltshilfe. Meine Mutter konnte kochen, das hat sie auch gelernt und gut gemacht, aber oft war dafür einfach keine Zeit. Beide waren immer auf Standby, weil es immer klingelte und ein Kunde vor der Tür stand.

Habt ihr auch selbst angebaut?

Frank: Nein, aber wenn ich eins über das Landleben gelernt habe, dann das: Die Leute, die das Gemüse anbauen, essen es nicht selbst.

Doch, bei Max Müller zu Hause…

Frank: Ja, ich kenne Max ganz gut. Der hat mir das erzählt. Seine Mutter hat alles im Garten angebaut, aber nicht beruflich.

Stimmt.

Frank: Und das ist der große Unterschied. Die Gemüsebauern, die das beruflich machen kaufen sich selbst nur „processed food“ (industriell verarbeitete Lebensmittel). Nur vom Eismann, schnell in den Ofen, fertig.

So habe ich das noch gar nicht gesehen. Dann leben die gar nicht so gesund.

Frank: Man kann das ja nicht verallgemeinern, aber das war meine Erfahrung mit den Landbauern. Klar, wenn jemand Sinn dafür hat im Garten Gemüse anzubauen, dann ist das was anderes. Mit Max habe ich mich auch schon über seine und meine Eltern unterhalten.

Kannst du kochen?

Frank: Nicht so gut wie Max, aber ich glaube, ich bin auch nicht schlecht, weil ich es auch gerne mache. Das ist bei mir mehr ein Hobby.

Wahrscheinlich beschäftigt man sich mit dem Kochen auch mehr, wenn man Kinder hat?

Frank: Ja, das ist eine gute Gelegenheit, um sich und den Kindern etwas Gutes zu tun. Da ist man gleichzeitig Aufsichtsperson und hat auch noch was zu tun.

Haben deine Kinder dein Gekochtes auch gegessen oder gab es Extrawürste?

Frank: Die haben das schon immer gegessen. Da wurde jetzt nicht jede Erbse aus dem Essen gepickt. Die Alternative waren Haferflocken oder mal ein Brot. Es ist niemand hungrig vom Tisch gegangen.

Und jetzt sind sie schon aus dem Haus? Ist eigentlich auch angenehm, oder?

Frank: Ja, finde ich auch. Das ist der Vorteil. Die ersten zehn Jahre haben alle einen bemitleidet, weil man so früh Eltern geworden ist und jetzt ist es natürlich ein bisschen umgekehrt.

Hast du einen grünen Daumen?

Frank: Ich weiß, dass Pflanzen Licht und Wasser brauchen.

Habt ihr auch einen Garten oder Schrebergarten?

Frank: Schrebergarten hasse ich. Finde ich schrecklich. Was man beim Aufwachsen auf dem Land auch lernt ist, dass all diese Dinge eine Wahnsinns Verantwortung und Verpflichtung bedeuten. In dem Moment, wo du Pflanzen dastehen hast, kannst du nicht mal eben drei Wochen in Urlaub fahren, ohne den Nachbarn zu fragen, ob er sie gießt.

Das ist wie mit Haustieren.

Frank: Ganz genau.

(Und dann wird auch schon das Essen serviert. Natürlich habe ich mal wieder vergessen Fotos zu machen. Hier kann man aber mal auf die Karte schauen.)

Es gibt aber viele, die so einen Garten haben.

Frank: Das ist oft das schlechte Gewissen, mit Kindern in der Stadt. Ich hatte das nie. Kommt aber auch durch die Verwandtschaft. Meine Eltern leben noch und als die Kinder klein waren, waren wir sehr oft da. Meine Eltern haben damals auch noch in der Gärtnerei gearbeitet. Wir hatten nie das Gefühl, dass die Kinder in der Stadt etwas vermissen.

Das ist schon praktisch. (Kau, Schmatz). Entschuldigung, mit vollem Mund soll man ja nicht sprechen…

Frank: Das ist dein Konzept. Ich habe aber auch Zeit, wir können erst essen und dann reden.

Schon gut. Zum Glück machen wir keinen Podcast (Wäre auch mal eine Idee. Der Kaucast – Schmatzen & Quatschen…). Die Sterne haben ein neues Album und du bist als das einzige Ur-Mitglied übrig, oder?

Frank: Ur-Mitglied, ja. Aber was immer vergessen wird ist, das Dyan Valdes, die heute übrigens ihre Dauer-Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland bekommen hat. Herzlichen Glückwunsch an dieser Stelle…

Von mir auch, sehr schön!

Frank: Sie spielt jetzt auch schon seit sieben Jahren bei den Sternen (Keyboard) mit. Wir haben zwar zu dritt in Hamburg die Stücke geschrieben, weil sie in Berlin lebt, aber das war so einfacher.

Es gibt also doch noch Sterne neben dir. Und es gibt euch schon insgesamt 28 Jahre, d.h. ihr habt auch schon sehr viele Jahre Catering-Erfahrung. Kannst du dich an das schlimmste Essen erinnern?

Frank: Das Schlimmste ist eigentlich immer gar kein Catering. Die Band kommt aus Hamburg und spielt jetzt in Hamburg und dabei bedenken die Leute nicht, dass die gerade aus München kommen und nicht zu Hause vorher bei Mutti gegessen haben. Ein zweiter, häufiger Fehler ist, dass die Leute die Öffnungszeiten der Dönerbuden auf dem Land unterschätzen. Laut Aussage des Veranstalters haben die nach dem Konzert immer noch auf und sind dann doch schon um halb elf geschlossen. Das ist dann schon doof, weil man nach dem Konzert immer noch hungrig ist.

Schlimm und ich glaube, das kommt heute immer noch vor?!

Frank: Leider ja. Es muss auch nicht immer High-End-Food sein. Viel wichtiger ist, dass sich gekümmert wird und es ein paar Brötchen oder Pizza gibt. Es stirbt ja keiner daran, dass es mal Fast Food gibt, aber wenn du länger auf Tour bist und jeden Tag Burger oder Pizza isst, auch nicht so gut.

Das will man nicht. Es gibt aber auch schon mal was Leckeres auf den Tisch?

Frank: Häufiger. Legendär war immer die Bistro-Bar Mokka in Thun, in der Schweiz, wo es ja sowieso ein hohes Niveau der Esskultur gibt. Die hatten einen sehr ambitionierten Veranstalter und der sorgte immer für eine sehr gute Küche auf Sterneniveau. Das wussten auch alle und da hat man immer gerne gespielt.

Das hört sich sehr gut an.

Frank: Nicht unerwähnt lassen möchte ich auch die Kochgruppe vom Conny Island in Leipzig. Die haben auch immer sehr gute Sachen gezaubert, mit ganz viel Liebe und Spaß am Kochen. Da geht es auch gar nicht ums Geld. Oder dass man das jetzt bekommt, weil das Konzert ausverkauft ist, sondern das sind meistens Leute, die einfach Bock haben und was Schönes machen.

Man braucht auch nicht viel Geld dafür, um was Leckeres auf den Tisch zu zaubern. Und seinen eigenen Koch muss man jetzt auch nicht immer dabei haben?!

Frank: Eben, da würde man ja auch nichts Neues kennenlernen. Man stellt dann zwar sicher, dass man immer was bekommt, aber erhält dann auch keine positiven Überraschungen.

Schreibt ihr denn was Spezielles in euren Tour-Rider? Es gibt da verschiedene Tricks. Die Türen bestehen immer auf ihre Flasche Tabasco, die dann aber meistens ungeöffnet stehen bleibt.

Frank: Es kennt ja jeder die Geschichte mit den farblich sortierten M&Ms. (Van Halen verlangten immer bunte M&Ms und nicht nur braune Dragees). Das ist im Grunde genommen der Indikator dafür, ob die den Catering-Rider gelesen haben oder nicht. Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, ob wir sowas haben. Es gibt schon Standards, die da drauf stehen, wie eine Ingwerknolle usw.

Ingwer, das ist eine gute Idee.
Frank: Immer gut, vor allem bei Erkältungserscheinungen.

Und soll auch vorbeugend bei Kater helfen. Ich weiß nicht, ob bei euch immer noch so viel getrunken wird…

Frank: Vorher oder hinterher?

Vorher. Das habe ich noch nicht wirklich ausprobiert, aber dieser Fernsehkoch, Alfons Schubeck, schwört darauf. Der trinkt jeden Tag Wasser mit Ingwer. Bei Erkältung natürlich immer gut. Kannst du dich noch an deine ersten Bands erinnern?

Frank: An meine Schülerbands?

Ja, hast du noch Kontakt zu denen?

Frank: Es gibt einen Musiker, Mirko Breder heißt er, der ist in der Region geblieben. Zu dem habe ich noch regelmäßigen Kontakt und mit dem mache ich vor allem schon am längsten Musik. Da gibt es noch ein paar andere.

Du arbeitest mit vielen verschiedenen Musikern zusammen. Wird es irgendwann schwieriger eine neue Band um sich herum zu versammeln? Oder will man das gar nicht mehr? Jedes Wochenende im Proberaum treffen und Musik machen.

Frank: Das haben wir mit den Sternen nie gemacht. Das geht schon gar nicht, wenn alle Mitglieder berufstätig sind. Bei uns ist das Proben immer projektbezogen gewesen. Thomas Wenzel, der Ex-Bassist, hat immer sehr viele Theaterprojekte gemacht und dann haben wir unsere neue Platte entsprechend seinem Terminplan angepasst. Wenn wir als Sterne dann zusammen waren, trafen wir uns dann aber auch jeden Tag.

In dieser Phase ist man dann doch häufiger zusammen und kann noch rum jammen. Oder hast du dann oft die Lieder fertig und die anderen spielen was dazu?

Frank: Das ist genau der Punkt. Früher kamen wir zusammen, haben sehr viel gejammt und daraus entstanden dann später die Songs. Das war irgendwann nicht mehr möglich, weil der Zeitaufwand enorm ist. Es ist viel einfacher mit Bands konkrete Arrangements umzusetzen, dann schaffst du in einer Woche ein Album. Wenn du andere Verpflichtungen hast, dann musst du dir ein anderes Konzept überlegen oder du sagst, ich mach nicht mehr mit. So war das jetzt bei uns.

Auf eurem neuen Album hast du Jan Philipp Janzen (Urlaub in Polen) und Phillip Tielsch, beide Mitglieder der Kölner Band Von Spar dabei. Ich mag übrigens die neuen Songs, ohne mich hier einzuschleimen…

Frank: Ist kein Rückschritt…

Nö. Das macht sehr viel Spaß.

Frank: Das war mir sehr wichtig, dass es kein mittelmäßiges Album wird. Es ist immer leicht zu sagen, mit dem neuen Typen ist es nicht mehr der wahre Jakob. Ich finde, dass es jetzt vielleicht nicht mehr dasselbe ist, wie vorher. Der Sound ist ein bisschen aufgeräumter. Aber es ist ein tolles Album. Das hat damit zu tun, dass das Songmaterial sehr gut war und dass wir uns im Studio schon bei den ersten Proben blind verstanden haben. Ich musste da nicht viel erklären. Ich finde der Song, wo ich Gastsänger war bei Von Spar, hätte auch ein Sterne-Song sein können („Ist Das Noch Populär“), bei dem Thomas Mahmoud Gastsänger gewesen wäre. Das passt wie Faust aufs Auge. Und die waren auch froh, dass da jemand mit Arrangements und Songideen kommt, und man nicht wieder mit so Puzzlekram anfängt, wie bei den Elektronikproduktionen.

Die Harmonie hört man auch gleich. Meine Lieblings Düsseldorfer Düsterboys sind auch dabei. Wie kamst du auf die?

Frank: Wir waren ja Labelmates bei Staatsakt, haben den gleichen Produzenten, Olaf Opal. Aber eigentlich aus gegenseitigem Fantum. Persönlich kannten wir uns auch gar nicht. Ich war mal bei einem Konzert im Pudel und da haben wir uns die Hand geschüttelt. Ich wollte nicht die einzige männliche Stimme auf dem Album sein und das war die Lösung, die nah lag und sie hatten auch Bock darauf.

Das war bestimmt eine entspannte Zusammenarbeit. Ihr habt auch in Köln aufgenommen?

Frank: Ja, sehr entspannt. Aufgenommen haben wir das bei Von Spar in den Dumbo Studios.

Und da habt ihr sicherlich auch mal wat Kölsches gegessen?

Frank: Ja, aber nicht bei der Gelegenheit. Wir haben beim Höninger gegessen.

Ist das in Zollstock? Ich kenne den Höninger Weg.
Frank: Ja, genau. Um die Ecke vom Studio. Und dann waren wir auch mal bei einem mongolischen Buffet, der auch gar nicht schlecht war. Und noch bei einem japanischen Imbiss in… wo heißt das noch mal, wo alle wohnen?

Belgisches Viertel? Ach nee, Ehrenfeld.

Frank: Genau.

Mongolisches Buffet kenne ich gar nicht. Muss ich mal demnächst ausprobieren.

Frank: Und dann waren wir auch noch auf der Venloer Straße, das ist ja auch noch Ehrenfeld, in einem alteingesessenen Kölner Restaurant.

Stadt Venlo.

Frank: Kann sein.

(hier muss ich mich korrigieren. Hier ist natürlich Haus Scholzen gemeint. Ich kenne mein Köln nicht mehr…).

Frank: Da haben wir auf jeden Fall eine kölsche Version, Entschuldigung an alle Vegetarier, der Schweinshaxe gegessen. Habe ich jetzt auch vergessen, wie das heißt. Ist auf jeden Fall anders als in Bayern, weil es nur gekocht wird. Also, nicht mit so eine Kruste.

Mehr wie Eisbein?

Frank: Genau.

Hm, das konnte ich noch nicht mal essen, als ich noch Fleisch gegessen habe. Ich habe es allerdings auch nie probiert. Dann magst du bestimmt auch Nierchen und sowas? Isst man auch gerne in Köln.

Frank: Ich habe ja noch diesen landwirtschaftlichen Bezug zu Tieren. Tiere halten und Tiere schlachten. Für mich ist eigentlich klar, wenn man es schlachtet, dann auch alles zu verwerten und nicht nur die Filets.

Hattet ihr auch eigene Tiere?

Frank: Es gab ja diese Selbstversorger-Wirtschaft nach dem Krieg bis in die 1960er/1970er Jahre. Ich bin Mitte der 1960er geboren und habe das noch so am Rande mitbekommen. Es war schon so üblich, dass jede Familie ein Schwein hinterm Haus hatte, das mit Resten gefüttert wurde. Wenn das Schwein krank wurde und nicht gegessen worden konnte, dann hatte die Familie ein Problem.

Und sonst wurde das komplette Tier verarbeitet.

Frank: Genau, was nicht so appetitlich war, landete in kleinen Gläsern und wurde zu Wurst verarbeitet. In jeder Region gibt es ein Resterezept, was damals vorwiegend die armen Leute gegessen haben. In Hamburg ist das Grützwurst, die besteht hauptsächlich aus Graupen. Da wo ich herkomme, heißt das Wurstebrei (ostwestfälisch-lippische Art). Besteht hauptsächlich aus Getreide, ähnlich wie bei Haggis oder Saumagen.

Wurstebrei, klingt auch interessant.

Frank: Ich bin mit Innereien mal an meine Grenzen gestoßen. Das war erstaunlicherweise nicht in China, sondern in Paris. Da habe ich eine gefüllte Teigtasche mit Innereien bekommen bei der ich dachte: Ok, das will ich eigentlich lieber nicht essen.

Und hast du es probiert?
Frank: Ich habe es sogar aufgegessen, aber es war nicht lecker. (lacht)

Oh je. Wie gehst du heute mit Kritik um? Geht man da mit der Zeit gelassener um? Du meintest eben, dass du mit eurem neuen Album ganz zufrieden bist.

Frank: Bei einem neuen Album habe ich noch nie etwas anderes gesagt. Das ist tatsächlich auch gefühlsmäßig so, dass ich von mir aus sagen könnte, wenn irgendwas nicht gelungen ist. Das geht über mehrere Instanzen und die Reflexion über das, was man tut. Das erste entscheidende Kriterium ist immer, ob das herausgekommen ist, was ich vor hatte. Wenn nicht, wenn es in eine andere Richtung gegangen ist, ist das auch ok. Oder ist das Ergebnis etwas, was mir eigentlich gar nicht passt? Oder ist es etwas, was aus der Situation heraus entstanden ist und sich nicht mehr ändern lässt. Insofern ist das schon wichtig zu sagen, wenn man behaupten kann, dass es jetzt so geworden ist, wie ich es wollte. Dann kommt der nächste Schritt, wo Leute sagen: Das sind jetzt nicht die Themen, die mich interessieren, worüber redest du da? Grundsätzlich ist es immer wichtiger ein Gespräch in Gang zu setzen, als alle Leute zufrieden zu stellen.

Hast du denn den Eindruck, dass durch die sozialen Medien die Kritiken einfacher „mal eben so“ rausgehauen werden? Je negativer, umso besser?

Frank: Da gibt es schon ein paar Hater. Das habe ich schon festgestellt.

Reagierst du darauf?

Frank: Nee. Das sind nur Schimpftiraden, einzelne Personen, die etwas von sich geben ohne Kontext. Das muss man, glaube ich, dann auch nicht so ernst nehmen.

Gab es denn schon mal eine skurrile Fanbegegnung? Ich habe mir ein paar ältere Live-Videos von euch angesehen. Da stürmen die Zuschauer auf die Bühne und machen Stage-Diving. Ist das immer noch so?

Frank: Das Publikum ist mit uns ja schon älter geworden. 60-jährige neigen nicht mehr zum Stage-Surfen (lacht)…

So alt ist euer Publikum doch noch nicht…

Frank: So alt noch nicht, aber das ist das Gefühl, was ich habe, wenn du diese Frage stellst. Man kann sich das alles schon gesitteter vorstellen…

Schön mit dem Whiskeyglas in der ersten Reihe…

Frank: Höhere Eintrittspreise, weniger Stage-Diving.

Hast du dich früher denn mal in die Menge geworfen?

Frank: Ich habe das den Leuten selten zugemutet, weil es ja auch viele sein mussten. Das gehört aber dazu. Das ist ein Teil der Bühnenkultur, die sich je nach Genre auch unterscheidet. Ich finde, die Sterne sind eigentlich nicht die Band, bei der man zuerst an Stage-Diving denkt.

Das stimmt. Und wie ist das sonst so mit euren Fanbegegnungen?

Frank: Die unangenehmsten Begegnungen sind die, bei denen man nicht weiß, dass man es mit Fans zu tun hat. Man merkt beim ganz normalen Umgang im täglichen Leben, dass da irgendwas komisch ist. Da erwartet jemand etwas von dir, was du gar nicht liefern kannst. Solche Fansituationen sind am unangenehmsten. Ansonsten, wenn sich die Leute zu erkennen geben, dann kann man meistens ganz menschlich reagieren und mal Stopp sagen, wenn es zu viel wird mit der Nähe.

Das klingt sehr unangenehm. Jetzt kommen wahrscheinlich auch viele mit ihren Handys und wollen Fotos machen? Oder kommt das nicht so oft vor?

Frank: Das ist aber nicht unangenehmer als das Unterschreiben von Sachen, was es früher häufiger gab. Die Selfies haben im Prinzip das „Unterschreib mir das mal“ abgelöst.

Und wahrscheinlich macht man beides nicht gerne?

Frank: Wenn man so etwas wie eine Band anleiert, die ja auch von den Fans lebt und das Potenzial hat, Fans zu haben, dann wäre es ganz schön arrogant, wenn man sich verweigert. Im Grunde kann man froh sein oder sich zumindest freuen über die Fans, sonst würde das alles nicht funktionieren.

Wir lieben die Fans.

Frank: Oder so.

Wer ist eigentlich dieser Sommer? (Die Frage bezieht sich auf die Singleveröffentlichung von „Der Sommer in die Stadt wird fahren“, die am nächsten Tag des Interviews, 5. Februar 2020, mit einem Video angekündigt wurde).

Frank: Die Frage ist ja nicht, wer der Sommer ist, weil es ein Symbol, eine Erlösungsfantasie ist. Die Hoffnung wird sozusagen personifiziert. Es geht mehr darum, wer es in dem Video darstellt. (hier geht es zum Video)

Weißt du denn noch, was du letzten Sommer getan hast? … Die Frage ist ja total bescheuert.

Frank: Das ist ein Film, oder? Tatsächlich haben wir da das Album aufgenommen. Wir waren im Studio, zum Glück im klimatisierten Keller, denn es waren 42 Grad in Köln. Ich war auch gar nicht im Urlaub, sondern wir haben durchgearbeitet. Deshalb freue ich mich auf die Ferien in diesem Jahr.

Nach der Tour dann wahrscheinlich?

Frank: Während der Festivalzeit.

Stimmt, die kommt ja auch noch. Dann verbindet man das mit dem Urlaub?

Frank: Genau, da nimmt man sich zwei Wochen Zeit.

Wisst ihr denn schon auf welchen Festivals ihr spielt?

Frank: Teilweise schon, aber es kommen immer noch Angebote im letzten Moment, gerade bei uns.

Weil die Booker so lahm sind?
Frank: Das hat damit zu tun, dass wir beim 12. Album sind. Die Veranstalter suchen sich als erstes die heißesten Kühe, die durchs Dorf getrieben werden. Die werden als erstes gebucht und danach ist das so eine Verhandlungstaktik. Das ganze Festivalbusiness ist schon sehr hart. Man kann froh sein, wenn du ein paar ehrenamtliche Mitarbeiter hast, die da mit organisieren. Das grenzt oft schon an wirtschaftlichem Selbstmord, wenn du so ein Festival machst. Das ist alles knapp kalkuliert, und wenn einmal ein richtiger Regenguss kommt, was ja hier in Deutschland zu erwarten ist, dann ist der Veranstalter schnell pleite. Darum buchen die lieber die großen Acts und hauen dafür die Gagen raus, um das Publikum anzulocken. Das ist sehr viel Wettbewerb und Kapitalismus im freien Fall.

Und immer noch wenig Frauenbands dabei.

Frank: Das ist noch mal ein anderes Thema.

Ein Thema, was manchmal auch zu viel diskutiert wird, meiner Meinung nach.

Frank: Ja, finde ich auch. Allerdings musst du vorsichtig sein, sagen wir mal so. Du kannst das den Leuten nicht vorwerfen, es muss ja thematisiert werden. Aber manchmal manifestiert man solche Dinge, indem man darüber redet. Das ist das Problem. Wenn du das als Frau sagst, dann ist das noch mal ein bisschen richtiger, als wenn ich das sage.

Es muss darüber geredet werden und „Der Arsch ist die Message“. Das ist übrigens meine neue Lieblingszeile von eurem Album und den Song mag ich auch sehr gerne.

Frank: Du magst es klar und derbe (lacht).

Und ganz einfach auf den Punkt gebracht.

Frank: Das ist ein Lied, das man eigentlich nicht singen möchte. Das ist so, wie du sagst, dass man nicht ständig darüber reden will, dass es zu wenig Frauen auf den Festivals gibt, sondern es sollte einfach selbstverständlich sein. Ist es aber nicht und deswegen sagt man es halt trotzdem noch mal. Das ist bei dem Stück eigentlich auch der Fall. Man möchte es lieber nicht singen. Was mich bei diesen Diskussionen um den Umgang mit dem rechten Rand nervt, ist das ständige draufreden, nicht irgendwie mal eine klare Kante zeigen und zu sagen: Wer menschenverachtende Ansichten hat ist definitiv draußen. Auch Ansichten kann man gesetzlich sanktionieren. In der Schweiz gibt es seit Ewigkeiten einen sehr gut funktionierenden Anti-Diskriminierungs-Paragrafen. Da ist schon das Äußern von diskriminierenden Meinungen strafbar. Das ist ein Schritt, der hier dringend gemacht werden muss. Ganz ehrlich, für manche Sachen, die ich höre, gehören die Leute in den Knast. Die gehören weggesperrt und nicht mit ihnen diskutiert.

Jeder regt sich darüber auf, aber keiner macht was.

Frank: Ganz genau. Es muss zivilisatorische Standards geben, die gelten müssen und verbindlich sind und die man nicht unterlaufen darf. Wenn eine Gesellschaft klar macht, dass Rassismus, grundlose Ausgrenzungen von Leuten, die durchaus ein Recht haben hier zu sein, nicht toleriert wird oder sogar strafbar ist, dann signalisiert man diesen Leuten, dass sie nicht die Mehrheit sind. Das ist wichtig. Der Grund, dass man darüber eigentlich nicht singen will ist, dass ich nicht in einem kompletten Sterne-Album thematisieren möchte, aber trotzdem kommt man an den Punkt, dass man es aussprechen will.

Das finde ich aber auch richtig. Wahrscheinlich würdet ihr so oder so Kritik bekommen. Also, auch wenn ihr es nicht thematisieren würdet. Man bekommt doch ständig einen auf den Deckel, so bald man sich politisch äußert.

Frank: Es wird erwartet, dass man sich äußert.

(Kurze Unterbrechung. Nehmen wir noch ein Getränk? Ist noch Zeit? Kein Problem, sagt Frank. Der nächste Zug nach Hamburg geht erst in einer Stunde.)

Magst du eigentlich Berlin?

Frank: Klar.

So klar ist das gar nicht. Es gibt sehr viele die Berlin hassen.

Frank: Ich mag diese Städtevergleich nicht. Ich habe Freunde in Berlin und bin manchmal wochenlang hier. Es gibt natürlich Unterschiede, aber es wäre mühsam, die jetzt alle aufzuzählen.

Woher kommt dieser Städtevergleich? Das ist mir erst so richtig aufgefallen, als ich nach Berlin gezogen bin. Es sind ja nicht nur die Berliner, die Vergleiche ziehen.

Frank: Die Leute müssen was zum Reden haben.

Hast du denn überlegt mit Kind und Kegel mal wieder aufs Land zu ziehen?

Frank: Nee.

Ich denke dabei auch immer an die Ärzteversorgung, die in der Stadt schon besser ist. Apropos hast du eine…

Frank: Krankenversicherung? Ja. (lacht)

Nein, ich meinte eine Patientenverfügung oder ein Testament. Da sorgen heutzutage ja auch schon viele vor.

Frank: Nee.

Interessiert dich auch nicht?

Frank: Doch, aber ist für mich jetzt noch zu früh.

Es könnte aber morgen schon ganz anders sein….

Frank: Das stimmt, aber du kannst dir bei meinem Lebenslauf oder Biografie vielleicht vorstellen, dass ich nicht der Typ bin, der dem Sicherheitsdenken verfallen ist.
Campino von den Toten Hosen setzt das eigentlich ganz gut um, also ist mir sympathisch. Er hat schon vor vielen Jahren sein Testament verfasst und darin kommen alle Freunde und Wegbegleiter vor und jedem widmet er ein ganz persönliches Geschenk. Er passt das wohl auch immer mal wieder bei einem Glas Rotwein an, weil sich mit den Jahren Freundschaften auch auseinander leben. Aber ich mag den Gedanken, meinen Liebsten einen persönlichen Gegenstand, eine Platte oder sowas zu hinterlassen.

Frank: Was ich daran gut finde ist, dass man nichts dem Zufall hinterlässt und sozusagen Verantwortung übernimmt über den Tod hinaus.

Kommen wir doch noch mal zum Essen. Hast du schon mal einen Song über Essen geschrieben?

Frank: „Du darfst nicht vergessen zu essen“ vom Album „In Echt“.

„Universal Tellerwäscher“ eigentlich auch. Der hat immer Hunger…

Frank: Obwohl das ja eher ein Bild ist.

Ist aber vielleicht auch schwierig über Essen zu schreiben?

Frank: Wenn man es auffasst, wie ein Stillleben, dann kann ja so eine Beschreibung von einem Essen alles enthalten. Essen kann ein Symbol für alles Mögliche sein.

Vielleicht kommt mit diesem Essen hier die Inspiration.

Frank: Das Leben ist eine langweilige Gemüsesuppe ohne dich…

… ganz fade…

Frank: ohne Salz…Schon ein bisschen schwierig solche Bilder mit Essen. Ganz besonders schlimm finde ich die Anmoderation eines „musikalischen Leckerbissens“. Da könnte ich gleich schon kotzen.

Hahaha, könnte auch vom Schleckermäulchen sein. Dann findest du den Namen bestimmt auch schlimm?!

Frank: Nee, da fände ich Gourmet eher scheiße. Ist vielleicht ein bisschen zu niedlich.

Viele denken dabei auch unter der Gürtellinie, woran ich nie gedacht habe und seitdem bin ich etwas irritiert.

Frank: Die Fantasie habe ich nicht, aber wenn es Erfolg bringt (lacht).

Wenn es eine Zeitmaschine geben würde, in welches Jahr würdest du gerne reisen?

Frank: Schwierige Frage. Zukunft ist zu unsicher, wobei die Neugierde schon sehr groß ist. Die Vergangenheit ist allerdings auch unsicher.

Man kann ja immer nur mal kurz vorbeischauen.

Frank: Wahrscheinlich ist vieles, was man sich interessant vorstellt, ziemlich langweilig. Das alte Rom oder so. Wahrscheinlich stirbt man sofort…

Wird sofort erschlagen oder holt sich irgendeine Krankheit. Und eine Zeit, in der man schon gelebt hat? Man erinnert sich ja nicht mehr an alles.

Frank: Stimmt, das ist eine gute Idee. So eine Persönlichkeitsentwicklung, wenn man sich als Erwachsener, dass Jahr seiner Geburt vornehmen würde und die ersten acht bis zehn Jahre, die man als Kind nicht bewusst erlebt hat, als erwachsene Person verfolgt. Das würde das Bild des eigenen Lebens durchaus vervollständigen.

Und auch mal sehen, wie man sich als Teenager verhalten hat. Man war nicht immer nett zu seinen Eltern oder Mitmenschen.

Frank: Über das Verhältnis zu seinen Eltern lernt man aber viel, wenn man eigene Kinder hat. Das Verhältnis zu den Enkelkindern ist nicht viel anders als zu den Kindern. Das fand ich sehr interessant, die eigenen Kinder aufwachsen zu sehen.

Schlimmster Job, den du je gemacht hast?

Frank: Ich glaube, Küchenhilfe im Hinkelstein. Das war so eine Studentenkneipe in Hamburg. Da habe ich mir sehr oft in den Finger geschnitten.

Letzte Frage. Musik und Essen passen zusammen, wie…

Frank: Ich finde Kochen ist eine sehr kreative Tätigkeit. So wie auch Musik machen. Mit vorhandenen Mitteln versucht man sich selbst eine gewisse Befriedigung zu verschaffen. Durch den Einsatz, die Idee zu verwirklichen. Musik hören, ist natürlich ein anderes Medium, als Sachen essen, aber als menschliches Verhalten nicht so weit voneinander entfernt.

Hörst du denn beim Essen auch Musik?

Frank: Beim Kochen. Seit ich nicht mehr rauche ist das Kochen für mich sehr viel größer und wichtiger geworden. Einmal wegen der Geschmacksveränderung und auch wegen der manuellen Verarbeitung, also was mit den Händen machen. Und man kann beim Kartoffelschälen sich Songtexte ausdenken. Das ist schon anders, als wenn man am Schreibtisch sitzt. Allerdings regt sich die Familie dann über die vielen Schalen in der Küche auf…

Boah, Frank hat wieder einen Song geschrieben…

Sehr schön. Das wars. Vielen Dank!

Frank: Sehr gerne.

 

 

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