Weniger isst mehr. Mit großer Leidenschaft durch die gute Küche Italiens.

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Splendido heißt auf Italienisch prächtig oder wunderbar. So auch der Titel des Online-Magazins von Mercedes Lauenstein (M) und Juri Gottschall (J). Seit 2015 sorgen die Autorin und der Fotograf hier für ansprechenden und anspruchsvollen Content. Jetzt gibt es die wunderschönen Fotografien und die geschmackvollen Texte auch als Buchform. „Splendido“ heißt natürlich das erste Rezeptbuch und wird mit Sicherheit auch nicht die letzte Veröffentlichung sein. Bei Mercedes und Juri geht es ums gute Essen und die findet man vor allem in der italienischen Küche. Köstliche Rezepte, die mit ein paar Zutaten zuhause zubereitet werden können. Das Paar legt dabei weniger Wert auf die Mengenangaben als auf die Qualität der Zutaten. Darum geht es auch in unserem Gespräch, das wir online geführt haben. Mercedes und Juri leben in München und zeitweise auch in Italien.
Während der Pandemie haben die Leute das Kochen zu Hause für sich entdeckt und das Schöne dabei ist, die meisten sind auch dabeigeblieben. Deutsche Gastronomen bekommen hier ordentlich ihr Fett weg, vor allem die hippen Köche. Aber fangen wir mal mit der ersten Mahlzeit des Tages an. Mercedes isst während des Interviews ein Müsli, aber das ist wohl eher eine Ausnahme.

Was gab oder gibt es generell bei euch zum Frühstück?

M: Da sind wir sehr unterschiedlich. Ich frühstücke eigentlich gar nicht und trinke nur einen Cappuccino. Gegen 11 Uhr bekomme ich dann Hunger und eigentlich mache ich dann ganz oft ein Mittagessen, aber es kommt immer darauf an. Jetzt zum Beispiel esse ich ein bisschen lieb- und leidenschaftslos ein Müsli. Einfach nur damit ich was im Magen habe. Juri ist ein großer Frühstücker und deshalb isst er nicht mit mir zum Mittag.  

J: Ich bin ein leidenschaftlicher Frühstücker. Ich trinke einen Cappuccino und dazu esse ich auch immer was. Meistens klassisch ein Brot mit Butter und Marmelade oder ein Croissant mit Honig – auf jeden Fall was Süßes.

M: Juri freut sich schon abends aufs Frühstück.

J: Ich liebe es zu Frühstücken, viel und lang. Auch wenn wir in Italien sind. Ich gehe lange Wege zum Bäcker, um mir was Frisches aus dem Ofen zu genehmigen. Mittagessen fällt dann meistens aus. Ich esse morgens und abends. Kommt darauf an, wenn wir unterwegs sind, dann esse ich auch schon mal was zum Mittag. Ohne Frühstück geht bei mir auf jeden Fall nicht.

M: Ich esse gerne mittags und abends warm. Mittags ist das zeitlich oft nicht möglich. Normalerweise würde ich mir jetzt ein Ei braten oder auch pochieren.

Ei pochieren ist dann aber schon was aufwendiger, oder?

M: Nee, ich finde ja ein Ei pochieren ist viel weniger aufwendig als zum Beispiel Rührei. Und dann riecht die ganze Wohnung auch nicht gleich so nach Essen. Man lässt das Ei einfach in heißes Wasser ab…

J: Man muss auch nicht so viel abspülen.

Das stimmt. Ich weiß gar nicht, ob ich das schon mal gemacht habe. Ich habe es draußen schon mal gegessen und hier in Berlin ist das ja voll das Ding und dann auch gleich preislich ein großer Unterschied. Ich dachte immer, dass ist voll kompliziert mit Essig im Wasser…

M: Es machen immer alle so ein Riesending daraus, aber mal ehrlich. Ich koche einfach nur Wasser und lass das Ei da reingleiten. Fertig. Ich mache weder Wirbel noch Essig dazu oder benutze irgendein crazy Gerät. Und wenn das Ei frisch ist, dann klappt das sowieso ganz gut.

J: Man muss es schon so zwei, dreimal machen und dann geht das.

Könnt ihr euch noch an euer Lieblingsgericht aus der Kindheit erinnern?

M: Milchreis und Pfannkuchen.

J: Ich habe sowas glaube ich nicht so richtig. Nee, ich habe immer gern gegessen, aber das eine Lieblingsgericht hatte ich eigentlich nicht.

Und wer hat bei euch früher am meisten gekocht? Gab es da schon Vorbilder in der Küche?

J: Ich bin bei meiner Mutter aufgewachsen. Sie war jetzt nicht die leidenschaftlichste Köchin, aber sie hat immer gekocht. Irgendwann kam dann so eine Phase, wo ich nachmittags lange Schule hatte. Ich war dann eigentlich nie zum Mittagessen zu Hause, sondern bin immer erst so um 16 Uhr zurückgekommen. Da muss ich 15 oder 16 Jahre alt gewesen sein. In dieser Zeit hat sie dann aufgehört mit dem Kochen, weil sie das eigentlich immer nur für mich gemacht hat. Das war dann der Moment, wo ich angefangen habe, selbst zu kochen. Das war dann eher aus der Not heraus oder auch aus Freude am Essen. So ist dann meine Leidenschaft fürs Kochen entstanden. Auf dem Heimweg habe ich mir oft ein paar Zutaten gekauft und habe mir dann zu Hause eine Kleinigkeit gekocht.

M: Bei mir ist das gar nicht so einfach, weil meine Familiengeschichte sehr verworren ist und es ziemlich viel Hin und Her gab. Trennung und Umzüge und dann mit der und dieser Person zusammengewohnt. Ich habe immer schon gerne gegessen und war sofort angetan, wenn es irgendwo etwas zum Essen gab. Mein Vater hat schon viel und gerne gekocht und uns auch einiges beigebracht. Mit 14, 15 Jahren fängt man ja vielleicht an sich dafür zu interessieren oder auch mal mitzukochen. Er hat uns immer wieder abschmecken lassen und damit ein bisschen den Feinsinn trainiert. Ich habe aber auch schon früh angefangen, mir selbst Sachen zu kochen, weil ich Essen einfach gut fand. Dabei habe ich mir viel selbst beigebracht. Meine Mutter ist nicht berühmt als Köchin. Sie hat eher immer grob und ungeduldig gekocht. Von ihr kamen nicht die größten kulinarischen Höhenflüge. Meine Großeltern waren da schon aktiver. Meine Oma war Fleischfachverkäuferin und kannte sich entsprechend mit Fleisch aus. Bei ihr gab es aufwendige Braten, und das konnte sie sehr gut. Die andere Oma war eher die Bäckerin und hat ganz genau nach Rezepten gekocht. Auch eher das Gegenteil von mir, aber sie wollte das immer ganz perfekt machen.

© Splendido 2022
Foto: Juri Gottschall

Da gibt es oft unterschiedliche Herangehensweisen, aber schön zu hören, dass dein Vater sich so Mühe gegeben hat. Die Pandemie hat schon dazu beigetragen, dass wieder mehr kochen, aber in vielen Haushalten wird es dann doch nicht so gerne praktiziert. Alles muss schnell gehen oder vielen haben keine Zeit oder Lust, um sich länger in der Küche aufzuhalten. Dafür ist euer Kochbuch „Splendido“ ja eigentlich schon super. Leckere Gerichte mit wenig Zutaten und oft auch nicht so aufwendig. Da kann man ja alle mit einbeziehen, also auch die Kinder, wenn man gemeinsam kocht. So, wie es dein Vater damals auch gemacht hat.

J: Wir haben schon gemerkt, dass seit Corona unsere Leserzahlen stark angestiegen sind. Wir haben unglaublich viel Feedback bekommen, auch auf unseren Newsletter, den wir regelmäßig verschicken. Daran bemerkt man, dass die Leute, die Rezepte auch nachkochen. Das Schöne daran ist, dass viele sich das Beibehalten haben, also dass sie jetzt, selbst wo sie wieder Essen gehen können, trotzdem weiter kochen und das auch schätzen gelernt haben.

M: Was wir auch ganz oft als Rückmeldung bekommen ist, dass die Leute sich ermunternd fühlen durch die einfachen Rezepte, die auf Produktqualität basieren, aber auch ohne diese strengen Mengenangaben funktionieren. Das motiviert und macht Mut zur Improvisation. Man kann gute Sachen mit weniger Aufwand kochen. Viele lernen dadurch, dass es ganz selbstverständlich sein kann, mal eben was Leckeres zum Essen zu kochen. Das finde ich schön und war mir am Anfang auch gar nicht so klar, dass man den Leuten noch mal einen ganz anderen Zugang zum Kochen bietet.

In euren Rezepten stellt ihr die italienische Küche vor. Jeder der mal dort war kennt das gute Essen. Tomaten mit Olivenöl schmecken dort immer ausgezeichnet. Ich habe dann eher das Problem, wenn ich wieder zu Hause bin, schmeckt es nicht mehr so gut, wie vor Ort. Auch wenn ich ein gutes Öl zu Hause habe. Es scheitert dann eher an den Tomaten.

J: Die Qualität der Zutaten ist hier einfach schwer zu bekommen, aber es ist möglich und wird auch immer besser. Man muss sich dabei selber ein bisschen erziehen und keine Kompromisse bei der Qualität der Produkte machen, gerade bei Gerichten, die nur aus drei, vier Zutaten bestehen.

M: Gerade bei Tomaten ist es schwer. Da liegt es auch an der Bodenqualität und der Sonne. Beim Mozzarella ist das nicht anders. Je weniger Fahrt er hinter sich hat, umso frischer schmeckt er natürlich. Man darf aber auch nicht unterschätzen, dass auf Reisen auch die Atmosphäre in das Essen mit reinspielt. Deshalb gibt es auch immer diese Klischee-Geschichten von Leuten, die auf Sardinien im Urlaub waren und dort Wein trinken und sich zehn Flaschen davon mit nach Hause nehmen. Und dann die erste Flasche zu Hause aufmachen und total enttäuscht sind. Da spielt das Vorort sein schon eine große Rolle.

Das stimmt. Aber natürlich hat man hier oft auch die Möglichkeit gute Qualität zu kaufen und das Angebot in Restaurants war auch noch nie so gut und vielfältig. Da hat sich in den letzten Jahren schon sehr viel getan. Ich spreche da jetzt vorwiegend von Berlin, aber auch in anderen Städten kann man sehr geschmackvoll Essen gehen. Das wird in München auch so sein?

J: Von der Gastronomie bin ich da noch nicht ganz so überzeugt. Finde ich teilweise noch schwierig, aber beim Einkaufen stimmt das auf jeden Fall. Es ist viel einfacher gute Lebensmittel zu bekommen als noch vor fünf oder zehn Jahren. Ich weiß nicht, auf jeden Fall habe ich den Eindruck, dass sich in den letzten Jahren da sehr viel getan hat. Gerade hier in München. Wenn man weiß, worauf man beim Einkaufen achten muss oder sollte, dann geht das sehr gut, selbst in normalen Supermärkten.

Natürlich braucht man dann auch das nötige Kleingeld dazu, aber du meintest eben, die Gastro würde dich nicht überzeugen. Geht ihr denn noch viel auswärts essen oder kocht ihr mehr zu Hause?

J: Ich muss zugeben in München oder in Deutschland, gehen wir nur sehr selten im Restaurant essen. In Italien gehen wir sehr viel essen, auch einfach aus Lern- und Inspirationsgründen und weil wir dort auch einfach viel unterwegs sind. In den seltensten Fällen ist das enttäuschend bzw. eigentlich so gut wie nie. Es ist immer auf irgendeine Art und Weise interessant. In Deutschland oder hier in München finde ich es oft schwierig. Es machen wahnsinnig viele Restaurants auf, das ist in Berlin wahrscheinlich nicht anders und sehr viele machen auch wieder zu. Oft ist das dann auch so zwei, drei Monate ein Riesen-Hype um einen Laden, dann rennen alle hin und plötzlich ist er wieder verschwunden. Hauptsache es ist neu und die Leute nehmen es an. Egal was es kostet und was es eigentlich genau ist. Es gibt sicherlich Ausnahmen, aber das Wahnsinns-Erlebnis habe ich persönlich in München noch nicht gehabt.

M: Es gibt vor allem so wenig von so einer selbstverständlichen Küche. Das hat man zum Beispiel in Mailand, wo wir sehr viel Essen gehen. Da gibt es reihenweise Restaurants, die auch schon seit Jahrzehnten bestehen und die bieten eine Mischung aus feiner Küche, aber es ist nicht so eine Posh-Mentalität, sondern eine selbstverständliche Eleganz. Es ist selbstverständlich, dass das Essen gut ist und das funktioniert, weil alle daran Interesse haben. Die Betreiber des Restaurants, aber auch die Gäste, die kommen. Alle sind es gewohnt und wertschätzen einfach gutes Essen. Hier ist es alles immer noch so unentspannt…

Mailand.
© Splendido 2022
Foto: Juri Gottschall

J: Genau unentspannt und gleichzeitig aber auch überhaupt nicht kompetent. Wenn man dann mal nachfragt, woher die Zutat kommt oder was das genau ist, dann wissen das viele einfach gar nicht. Da merkt man oft, das Interesse ist gar nicht da und niemand befasst sich mit dem Essen, so wie es nach außen hin beworben wird. Das ist in Italien ganz anders. Wenn du den Kellner fragst: „Wo kommt der Käse her?“, dann weiß er das und erzählt dir davon.

M: Es gibt natürlich auch Ausnahmen. In München wird die bayrische Esskultur schon sehr ernst genommen und da gibt es auch Orte, die man besten Gewissens empfehlen kann. Aber bei anderen Nationalitäten ist das schon schwieriger. Ich finde, Berlin ist da schon sehr viel weiter.

In Italien steht das Essen absolut an erster Stelle, neben der Familie und den Kindern, klar. Aber genau, hier in Berlin kenne ich sehr viele gute Restaurants, wo ich mich immer wohl fühle und die Leute mit Herzblut kochen. Natürlich ist auch viel Schrott dabei, aber auch sehr viele, gute Küchen.

J: Genau, und der Schrott, wie du sagst, ist halt leider auch dabei und das finde ich unverschämt, dass Leute ein Restaurant aufmachen, um schlechtes Essen zu verkaufen und oft dann auch noch für sehr viel Geld. Die Preise sind hier natürlich generell höher, weil es eben München ist, aber sehr oft auch wirklich übertrieben. Mailand ist auch keine günstige Stadt, aber da isst du für die Hälfte ungefähr, doppelt so gut, weil sich da auch jemand Mühe gibt.

Da fühlt man sich schon verarscht, wenn der Preis hoch ist, aber das Essen nicht gut. Auf jeden Fall. In Italien kannst du in die kleine Trattoria nebenan gehen und bekommst die beste Pasta. Je nachdem wo du bist, auch für wenig Geld. Das fängt schon beim Kaffee an oder Espresso. Ich habe in Italien fast noch nie einen schlechten Kaffee getrunken. Essen ist dort einfach eine Lebensqualität und alle wachsen damit auf. Gut, in manchen Gegenden sind vorwiegend die Frauen noch für das Kochen zuständig, aber das ist ein anderes Thema.

J: Es gibt aber schon auch viele kochende Männer in Italien. Gerade bei den Jüngeren habe ich den Eindruck. Wir beobachten mit großer Freude die junge Gastronomieszene in Italien. Diese Selbstverständlichkeit von Qualität und guter Küche wird an die nächsten Generationen weitergegeben. Teilweise übernehmen die Jüngeren dann das Restaurant oder die Landwirtschaft der Eltern und bringen das auf eine angenehme Weise in die neue Generation, ohne dass es gleich hipp wird oder affig, übertrieben wirkt. Der Laden wird zwar renoviert, aber die Qualität und die Tradition bleiben selbstverständlich erhalten. Die kämen jetzt nie auf die Idee alles umzukrempeln, sie machen das eher behutsam modern. Super kompetent und das gefällt mir immer so gut daran, auch wenn man mit den jungen Leuten spricht. Man merkt, die machen das richtig gerne und wissen mit dem Erbe umzugehen. Das fehlt mir in Deutschland total. Hier sind oft so Gastrobetriebe ganz schnell überkandidelt hipp, wichtigtuerisch und dann steckt oft doch nichts dahinter. Das finde ich sehr schade.

Ihr lebt in München und auch in Italien. Wann seid ihr denn immer da und wo genau?

J: Wir haben eine Wohnung in der Lombardei. Das ist ungefähr fünf Stunden von München entfernt. Wir waren gerade da. Wir sind aber gerne auch in der Nebensaison dort. Gerne im Frühling oder im Herbst. Manchmal sind wir aber auch nur für eine Woche da, um mit den Leuten zu reden oder etwas einzukaufen. Wegen Corona sind wir natürlich weniger gereist.

M: Und da unser Shop im Moment ganz gut läuft und wir viele Sachen noch selbst verschicken, sind wir jetzt auch einfach häufiger hier in München.

J: Letztes Jahr haben wir aber den ganzen Sommer dort verbracht. Von August bis Oktober. Da ist auch ein Großteil des Buches entstanden. Wir wollten unbedingt die Produkte auf den Märkten vor Ort kaufen und haben dann die Rezepte dort in unserer kleinen Zweitküche gekocht und fotografiert. Und auch die fehlenden Texte noch aufgeschrieben. Wir haben dort die ganzen Fleischrezepte gekocht. Den Schweinebraten beim Metzger gekauft und noch Tipps bekommen, wie man es richtig macht. Alle Kräuter dort gekauft. Das war schon sehr schön und hat sehr viel Spaß gemacht.

Fahrt ihr denn auch ganz klassisch mit italienischer Musik im Auto immer dorthin?

J: Ich bin eigentlich nicht so ein krasser Fan von italienischer Musik. Was ich allerdings entdeckt habe, und das ist mir auch ein bisschen peinlich, sind ganz junge italienische Rapper, die schlimme Rap-Musik machen, die ich gar nicht mag. Würde ich mir auf Deutsch oder Englisch niemals anhören.  Ich lerne bereits seit vielen Jahren italienisch und lerne die Sprache auch immer noch und finde es dann ganz spannend, mir da die Wörter und Begriffe rauszuziehen.

M: Diese bösen neapolitanischen Rapper haben halt diesen sehr guten Slang.

J: Das höre ich manchmal schon sehr gerne und finde es lustig, auch wenn ich hier in München arbeite. Eigentlich bin ich ein großer Hardrock- und Metal-Fan und liebe laute Gitarren, die so klingen wie aus den 1970ern.

M: Ich höre schon mehr italienische Musik. Aber gerade mag ich auch diesen italienischen Rapper, der aber gar nicht aggressiv ist, sondern teilweise auch sehr poetisch klingt. Coez heißt der. Der hat wahnsinnig gute Lieder, er rappt kleine Alltagsgeschichten und bringt eine große Bandbreite an Gefühligkeit mit. Ich höre im Moment auch wieder sehr gerne Gianmaria Testa. Der ist auch sehr poetisch, er schreibt kleine vertonte Gedichte. Und natürlich gibt es die Italo-Klassiker. Da bin ich auch oft in der Laune und höre die Playlisten rauf und runter. Bei uns ist das jetzt aber auch nicht so, dass immer Musik läuft. Wir sind beide eher bewusste Musikhörer. Da muss nichts im Hintergrund dudeln und man macht auch nicht auf der Autobahn sofort die Musik an. Es gibt immer nur eine gewisse Zeitspanne, bei der man sich auf die Musik einlassen kann. Ansonsten wird das zu einem Geräusch im Ohr, was mich eher stört.

J: Wir unterhalten uns lieber, während wir unterwegs sind.

M: Genau, und wenn dabei Musik im Hintergrund läuft, das mag ich überhaupt nicht.

J: Wir sind neulich mal von Bologna nach Parma gefahren, das sind ungefähr 1 ½ Stunden mit dem Auto und es war schon abends, die Sonne ging unter und wir wollten in Parma noch was essen. Auf der Fahrt haben wir nur italienische Musik gehört. Das war sehr schön, aber auch wirklich eine Ausnahme.

Eric Pfeil hat dazu das passende Buch gerade rausgebracht. „Azzurro – Mit 100 Songs durch Italien“. Kann ich nur empfehlen.

M: Ah ja, das habe ich nur gesehen, aber bisher noch nicht gelesen.

Das ist ein großes Vergnügen. Genauso wie euer Buch, um mal ein kurzes Lob loszuwerden. Ihr schreibt und beschreibt die Rezepte und Zutaten ja auch immer sehr humorvoll und locker. Das ist mir schon bei eurem Magazin aufgefallen und macht einfach Spaß zu lesen und die Bilder sind sehr ästhetisch und machen Appetit. Klassische Rezepte frisch und farbig aufgetischt. Modern, aber nicht zu hipp.

J: Es sollte einfach zeitlos sein. Das war auch der Anspruch von uns. Da ist eigentlich nicht viel drinnen, was man falsch machen kann. Gute Lebensmittel wird man immer gut finden, die schön angerichteten Teller wahrscheinlich auch. Wir haben da jetzt auch keine Trendgerichte dabei. Wir haben das klassisch wie eine Speisekarte in einem Restaurant aufgebaut. Ich denke, das wird immer funktionieren.

Spaghetti alla Nerano
© Splendido 2022
Foto: Juri Gottschall

Wahrscheinlich habt ihr noch viel mehr Rezepte und Material, das es noch ein zweites Buch geben wird?

J: Wir denken darüber nach. Es gab auch schon Anfragen von Lesern. Es gibt auch schon Ideen, aber das muss jetzt noch nicht sein.

M: Es läuft ja tatsächlich mit diesem Buch gerade sehr gut. Wir kannten bereits viele Leser, die auch bei uns im Shop gekauft haben und jetzt eben auch das Buch. Aber darüber hinaus sind nochmal mehr Leute von außerhalb dazu gekommen. Das ist wirklich toll und hätte ich nicht erwartet.

J: Das war wirklich ein klassischer Überraschungserfolg. Wir hatten alle die Hoffnung und es ist voll aufgegangen.

Das Magazin lief doch bisher ohne Sponsoren, also habt ihr ganz independent aufgebaut.

J: Das ist uns nach wie vor auch sehr wichtig, dass das so bleibt.

Mein Schleckermäulchen ist auch ganz ohne Werbung. Ich hatte auch schon mal nach Sponsoren gesucht, aber das hat nie gepasst. Ich habe allerdings auch nicht so viele Klicks wie ihr.

J: Das ist schon schwer, deshalb haben wir ja auch den Shop.  

M: Streng genommen könnte man jetzt sagen, ihr seid auch nicht unabhängig, weil ihr den Shop habt und ihr wollt den Leuten Sachen verkaufen. Aber für uns ist das alles transparent und es sind keine Produkte, hinter denen wir nicht voll und ganz stehen.

J: Ich will mich da auch gar nicht rechtfertigen. Wir stecken so viel Arbeit in diese Seite. Wir machen kaum noch andere Sachen nebenbei und somit muss sich das jetzt einfach finanzieren. Solange man kein öffentlich-rechtliches Programm ist, muss man seinen Journalismus selbst finanzieren. Die Leute haben auch immer gefragt, ihr schreibt so viel über gute Lebensmittel, wo bekommen wir das denn. Dann haben wir immer beschrieben, wo das Öl herkommt und wie man vielleicht darankommt. Das war am Ende so kompliziert, dass dieser Shop einfach naheliegend war. Somit ist es auch ein Service für den Leser.

Bekommt ihr denn oft Anfragen von Firmen oder Sponsoren?

M: Nicht so oft. Ich glaube, die sehen das bei uns auch schon, dass wir das nicht machen. Und wenn es mal eine Marke gibt, die uns interessieren würde, dann sind das Firmen, die schon so etabliert sind, die gar kein Geld in gutes Content-Marketing stecken würden.

Jetzt fehlt eigentlich nur noch die eigene Kochshow oder ein YouTube Kanal?

M: Darüber haben wir auch schon nachgedacht, über verschiedene Formate. Im Moment fehlen uns da aber die Zeit und die Kapazitäten. Wir machen eh schon einen Job zu zweit, den eigentlich fünf oder zehn Leute machen könnten.

J: Wenn man das auf dem Niveau machen will, so wie wir das wollen, dann ist das sehr aufwendig und ganz viel Arbeit. Man braucht guten Ton, Licht, Kameras. Leute, die das Schneiden. Und das muss gut aussehen, weil da die Konkurrenz auch sehr groß ist.

M: Toll wäre es schon, weil Ideen haben wir genug.

J: Wenn das hier jemand liest, der YouTube-affin ist und was mit Essen anfangen kann und immer schon eine Kochsendung machen wollte..

…der melde sich bitte bei mir. Ich würde auch so gerne eine kleine Kochshow machen. (Lacht). Nein, der soll sich gerne hier melden und ich leite das dann an euch weiter. Wo holt ihr euch eure Inspirationen? Ist das immer vor Ort oder studiert ihr Kochbücher oder fragt ihr in Restaurants nach?

M: Das ist ganz unterschiedlich. Wir gehen in Italien schon sehr viel essen und schauen in den Regionen, was es da gibt. Mit welchen Kräutern wird gewürzt, welche Zutaten werden benutzt. Oft bestellen wir etwas und recherchieren dann später, was das überhaupt war. Neulich waren wir in Mailand und da haben wir Tonno di coniglio gegessen und ich wusste überhaupt nicht, was das war. Dann haben wir herausgefunden, dass das ein lombardischer Klassiker ist. Man bearbeitet Kaninchenfleisch wie eingelegten Tunfisch. Also, man gart das Fleisch, würzt es und legt es dann in Gläser mit Öl ein.

J: Und dann isst man das kalt.

M: Und das war auf einem Beet mit Weißkrautsalat angerichtet. Das war so gut.

J: Restaurants sind immer eine gute Quelle für Inspirationen und Neuentdeckungen. Wir reden aber auch gerne mit Marktfrauen oder mit Bäckern und allen möglichen Leuten, die Lebensmittel verkaufen oder damit zu tun haben. Oder wir besuchen Produzenten von Produkten, die wir probieren wollen und vielleicht dann auch im Shop anbieten möchten. Die wissen dann immer ganz genau, was man mit ihren Produkten macht oder aber sie empfehlen uns Restaurants. Da kommt schon einiges zusammen. Wir bringen von jeder Reise mindestens fünf neue Ideen mit und kochen die dann nach.

Dann kocht ihr schon viel und regelmäßig.

J: Ja, schon. Manchmal auch nur Kleinigkeiten. Ich mag den Prozess des Kochens einfach.

Und wenn ihr gemeinsam kocht, gibt es dann Arbeitsaufteilung?

M: Eigentlich kocht immer einer oder der/die eine macht Salat oder berichtigt am Ende, wenn was schiefgelaufen ist. Einer sagt, ich koche jetzt etwas und dann kann der andere Aufträge entgegennehmen oder auch nicht. Das läuft immer ganz entspannt ab und führt zu keinem Streit in der Küche.

J: Oder einer probiert was ganz Neues aus. Ich befasse mich gerade mit der Herstellung von Eis.

Mit Eismaschine?

J: Ich habe eine Küchenmaschine, mit der man auch einfrieren kann. Die Kunst beim Eismachen ist aber eher die Physik dahinter. Wie bleibt die Masse cremig und welcher Zucker passt, damit es beim Einfrieren nicht zu süß wird. Da muss man schon rechnen, damit es genau stimmt. Das ist eine Wissenschaft für sich, aber super spannend.

M: Ich freue mich dann, was dabei herauskommt.

J: Ich bin gar nicht so ein großer Eis-Esser, aber wenn man sich intensiv mit der italienischen Küche befasst, dann muss man auch das mal probiert haben.

Viele haben sich während der Pandemie mit Brot backen beschäftigt. Den besten Sauerteig erschaffen oder auch Pizzateige ausprobiert. Das ist auch ein langwieriger Prozess. Habt ihr da ein Geheimrezept?

J: Wir haben zwei Rezepte auf unserer Seite. Einen für Ungeduldige und einen für Geduldige. Der für Geduldige ist mit Sicherheit der bessere. Er dauert halt länger, weil er viel Zeit braucht. Man muss halt vorher wissen, dass man übermorgen Pizza essen möchte. Ob das zweckmäßig ist, kann man drüber streiten. Eine Zeit lang haben wir sehr oft Pizza selbst gemacht.

M: Wir hatten eine Zeit lang einen Pizzaofen auf dem Balkon und das war ganz toll. Aber dann haben sich irgendwann die Nachbarn beschwert.

J: Wir haben aber einen recht guten Backofen, der unten auch einen Stein drinnen hat und den man extra beheizen kann. Der wird dann sehr heiß und damit kann man schon schön Pizza oder Brot backen.

M: Jedes Mal, wenn wir Pizza backen, sind wir so zwiegespalten. Einerseits sagen wir dann, hm, ist viel besser, als wir dachten und andererseits denken wir, warum macht man Pizza eigentlich zu Hause?

J: Gehört zu den Dingen, die man sehr gut außerhalb machen kann oder sollte. Es gibt einfach Leute, die das sehr viel besser können als wir.

M: Ich finde zu Hause schmeckt das einfach immer, wie selbstgemachte Pizza.

J: Wir kommen schon nah dran, aber ich finde auch, dass der Aufwand immer zu groß ist für zwei Leute. Tage vorher, stundenlang Teig kneten und gehen lassen.

M: Und eigentlich ist dann auch erst die dritte Pizza richtig geil, wenn der Ofen die passende Temperatur hat, aber dann ist man oft schon total satt.

J: Da kann man wirklich besten Gewissens zwei Straßen weiter gehen und die Pizza deines Vertrauens genießen, die direkt aus dem Ofen kommt.

M: Ich finde das ist ja auch der Reiz des Pizzaessens. Schnell mal in diese Institution Pizzeria gehen und dann gibt es dort einen Ofen und da schleudern sie das dann rein. Das ist ein Kosmos, der für sich funktioniert.

J: Oder auch einfach mal zum Mitnehmen.

M: Ich verstehe aber auch schon den Reiz, dass man das mal zu Hause macht oder zusammen mit Freunden.

J: Ja, mit Freunden oder Familie kann man das schon machen.

Freunde wollen doch sicherlich bei euch auch immer zum Essen kommen. Ladet ihr öfter ein?

J: Manchmal, aber jetzt nicht regelmäßig.

M: Seit Corona eigentlich gar nicht mehr. Corona hat unser soziales Leben sehr eingeschränkt.

J: Einzelne Freunde kommen schon noch vorbei mit denen wir dann auch gemeinsam essen.

M: Es ist aber auf jeden Fall sehr viel weniger geworden und man trifft sich immer noch eher draußen als zu Hause. Wir sind auch eher noch immer vorsichtig.

J: Wir sind schon auch wieder unterwegs und gehen auch mal ins Hotel, also wir isolieren uns nicht komplett, aber passen nach wie vor sehr auf. Wenn ein Restaurant nur Innenbereich hat und da ist es schon sehr voll, dann gehen wir da nicht rein. Gestern habe ich was gelesen. Es gibt diesen Blog Trois Etoiles, also drei Sterne auf Französisch von Julien Walther. Der bereist die ganze Welt und isst in den besten Restaurants. Das ist sehr inspirierend und das verfolgen wir sehr gerne. Er war kürzlich in Kalifornien und gestern gab es schon mal eine Zusammenfassung. Später folgen dann immer noch die Texte zu den einzelnen Restaurants. Auf jeden Fall war er dort jetzt zwei Wochen und hat die Restaurants bereits vor einem Jahr gebucht, weil die auch immer sehr schnell ausgebucht sind. Damals wusste er noch gar nicht, ob es immer noch Corona geben würde und die Flüge stattfinden können, aber das Essen war schon bestellt. Man muss jetzt oft schon in Restaurants im Voraus bezahlen, weil die vermeiden wollen, dass Leute einfach nicht auftauchen. Dafür sind die Zutaten einfach zu wertvoll. Aber selbst er hat dann am Abend zweimal absagen müssen, weil er sich den Raum angeguckt hat und das war ihm zu eng oder es gab keine Terrasse zum draußen sitzen und dann hat er es einfach gelassen, weil er nicht krank werden wollte. Trotz langfristiger Buchung und er sich auch schon so gefreut hat, aber das Risiko war ihm einfach zu groß. Das hat mir auf jeden Fall Mut gemacht, das andere das auch noch so machen.

Ein teures Vergnügen, wer es sich leisten kann, aber klar, auf jeden Fall vernünftig und nicht jeder macht das so konsequent.

M: Man kommt sich schon komisch vor, dass man noch so vorsichtig ist.

J: Aber es ist auch nicht so, dass es niemand mehr tut.

Autorin: Mercedes Lauenstein
Titel: Splendido. Intuitiv italienisch Kochen. Frühjahr 2022
Copyright: © Juri Gottschall

Genau. Ich denke auch, dass sehr viele noch vorsichtig sind. Natürlich sieht man auch viele ohne Maske in der Bahn sitzen oder im Geschäft, aber ich glaube, die Mehrheit hält sich dran. Das sieht man auch in der Veranstaltungsbranche, leider muss man sagen. Da gibt es drinnen keine Maskenpflicht mehr, bis auf ein paar Ausnahmen, und die Konzerte oder Festivals sind nicht mehr ausverkauft. Das ist natürlich nach über zwei Jahren Pandemie auch ein Problem. Viele wollen einfach noch nicht auf Massenveranstaltungen oder aber sind halt krank und bleiben zu Hause. Schlimm für die Veranstalter und Künstler, aber ich kann das auch sehr gut verstehen, wenn man sich nicht anstecken will.

M: Wir waren auf dem Rolling Stones-Konzert. Das haben wir uns nicht nehmen lassen, aber wir waren mit Maske.

J: Wir waren da allerdings auch die Ausnahme, muss man sagen.

Klar, das geht natürlich auch. Und wie waren die Stones?

J: Fantastisch. Das war jetzt mein drittes Konzert und ich habe das Gefühl, die werden immer besser. Die haben richtig abgeliefert und alle haben sich so gefreut. Das war eine tolle Stimmung.

Sehr schön. Letzte Frage. Musik und Essen passen zusammen, wie…

J: Ich muss sagen, beim Kochen höre ich nur sehr selten Musik, weil ich mich da dann doch mehr auf das Kochen konzentriere. Beim Essen selbst, ja, das schon eher.

M: Ich mag Musik ohne Lyrics beim Essen. Ich höre dabei sehr gerne Jazz. Das finde ich ist immer eine sehr gute Stimmung. Ansonsten trennen wir beide das dann schon lieber und genießen bewusst nur die Musik oder das Kochen.

J: Ich bin ein leidenschaftlicher Musikhörer. Mein ganzes Leben schon. Ich war auf so vielen Konzerten, die kann ich gar nicht mehr zählen. Ich habe in Bands gespielt und bin wirklich ein leidenschaftlicher Hörer und Fan, aber beim Kochen lasse ich das gerne weg.

Autor: Juri Gottschall
Titel: Splendido. Intuitiv italienisch Kochen. Frühjahr 2022
Copyright: © Mercedes Lauenstein

M zu J: Ich fand gut, was du eben noch, kurz vorm Interview, zu mir gesagt hast. Da haben wir uns kurz über das Thema Essen und Musik unterhalten. Da hast du was gesagt und das fand ich sehr passend.

J: Ach ja, ich meinte, dass es bei mir mit der Musik ähnlich ist, wie beim Essen. Ich mag verschiedenste Dinge, auch in der Musik, wie ich eben schon erzählt habe mit den italienischen Rappern, die ich normalerweise nie hören würde. Aber wenn das gut gemacht ist, dann kann das echt alles sein und ich finde es gut. So ähnlich ist das auch beim Essen. Es ist egal, ob es ein Sternerestaurant ist oder eine kleine Bude, aber wenn da jemand ist, und ich merke, der hat Talent. Der kann das und gibt sich Mühe, der macht das wirklich handwerklich gut, dann gefällt mir das und dann mag ich das auch. Was ich nicht mag ist, wenn mich jemand verarschen will, also wenn jemand Scheißmusik macht, und dann wird das als etwas Besonderes verkauft. Genauso wiederum beim Essen. Ein Restaurant wird als das beste in der Stadt bezeichnet und dementsprechend teuer, aber es ist einfach kein gutes Essen. Das durchschaue ich dann und finde es einfach nur frech und kann damit nichts anfangen.Das ist ein guter Abschluss. Ich danke euch und ich wünsche euch weiterhin viel Erfolg.

M+J: Danke dir. Das hat Spaß gemacht.

Lesen ohne Werbung. Macht Spaß, oder? Willst du mehr? Dann spendier der Autorin gerne eine Schorle, ein Stück Kuchen oder lebenslänglich Pistazieneis. Mit einem Klick kann man die Arbeit von Schleckermäulchen Berlin unterstützen. Vielen Dank! Kaffee oder Kucken, Knicks!

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