Streetart-Künstler und Musiker Gris über seine Liebe zum Pizzateig und lecker Blub-Brötchen.

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Gris ist Maler, Sprüher, nicht Spreeyer (gemeint: Sprayer), Dozent und Musiker aus Berlin. In den 1990ern brachte er schon diverse Hip Hop-Platten raus und seit er denken kann, malt und zeichnet er auf Papier, Wände oder in seine zahlreichen Skizzenblöcke. Er bietet Seminare und Workshops für Anfänger oder Fortgeschrittene an und fährt mit seinen Malgruppen auch gerne mal nach Italien. Er liebt alles mit Pistazien und backt mit großer Leidenschaft Pizza und Frühstücksbrötchen.

Wir trafen uns Anfang Mai, an seinem Arbeitsplatz im Grishaus in Schöneberg, und weil die Sonne sich von ihrer warmen Seite zeigte, verlegten wir das Gespräch ins Café um die Ecke. Während der Pandemie entdeckte ich Gris auf Instagram und glotzte mit großer Begeisterung seine Live-Storys. Auch passiv als Zuschauer schaut man ihm sehr gerne beim Sketchen zu, und überhaupt sorgt er immer für gute Unterhaltung. Wir sprechen außerdem über kulinarische Highlights aus der Kindheit, dazu gehören die berühmten Blub-Brötchen und Eierkuchen von der Oma. Ich wünsche nun eine anregende Lektüre und viel Vergnügen beim Lesen.   

Gris: (kramt seine Zigarettenutensilien auf den Tisch) Ich habe nichts vergessen. Das ist ein gutes Gefühl. Dann weiß ich, dass ich hier jetzt nicht schlechte Laune bekomme oder hektisch los muss, um Zigarettenfilter zu holen.

Oh nein, bitte keine schlechte Laune. Bekommst du schnell schlechte Laune?

Gris: Sehr schnell.

Kaffee mit Herz und Pistazien-Tartufo. Molto gustoso!

Oh je, dann mal los. Was für ein Frühstückstyp bist du? Kaffee und Kippe?

Gris: Das hört sich so an, als würde man nur das Frühstücken?

Das machen so auch viele. Also, sofort nach dem Aufstehen Zigarette an.

Gris: Naja, nicht sofort. Ich weiß, das ist nicht gesund… sag mal, bist du von so einer Endlich Rauchfrei-Gang?

Nein, aber man bemerkt, dass es doch immer mehr Nichtraucher gibt, zumindest in meiner Umgebung. Hast du denn schon mal… ach egal. Frühstück.

Gris: Genau, also, Kippe und ein guter Cappuccino wären toll, dann bin ich erst mal befriedigt. Später frühstücke ich richtig mit Brötchen, Butter, Käse. Ich verzichte in letzter Zeit mehr auf Wurst und dann auch gerne noch was Süßes hinterher, Nutella oder Marmelade. Danach gibt es dann noch einen Cappuccino.

Und das jeden Tag? Also, das klingt ja eher nach einem ausgiebigen Sonntagsfrühstück.

Gris: Es ist die Frage, wie man sich die Zeit nimmt. Aber natürlich ist das nicht immer der Fall. Manchmal gehe ich hier auch zum Bäcker und hol mir so ein Pogaca. Das ist ein türkisches gefülltes Gebäck, entweder mit Kartoffel oder Schafskäse. Aber eigentlich versuche ich meine Frühstückszeiten einzuhalten.

Das finde ich gut. Zum Essen soll man sich Zeit nehmen. Was ist dein Lieblingsgericht aus der Kindheit?

Gris: Nudelsalat à la Maman.

Mit Mayo?

Gris: Selbstverständlich mit Mayo, aber wirklich außergewöhnlich lecker und das sage ich nicht, weil er aus der Familie kommt. Ich habe den schon oft nachgemacht, manchmal habe ich es auch geschafft, dass er so schmeckt, wie von ihr. Alle sind immer durchgedreht. Außer in der Türkei, meine Frau ist Türkin und wir sind da oft, die waren überfordert mit diesem süßen, sauren Geschmack. Ich mach auch schon mal eine Honig-Vinaigrette an den Salat und das mögen die dort nicht so gerne. Entweder süß oder sauer.

Also auch mit Gewürzgürkchen und natürlich Fleischwurst.

Gris: Genau.

Und Miracel Whip? Das gab es früher bei uns immer.

Gris: Meine Mutter war immer Fan von Pfennigs. Diese Mayonnaise kommt in den Salat.

Ah, ok. Das ist aber auch ein Berliner Produkt.

Ostalgie mit dieser Mayo. Passt bestimmt auch gut zum Blub-Brötchen.

Gris: Wo kommst du denn her?

Ich komme ursprünglich aus Köln

Gris: Achso. Das ist ja auch nicht schlimm. (grins)

Dann hat bei euch die Mama mehr gekocht?

Gris: Mein Vater hat, glaube ich, nie gekocht. Meine Mutter war mal auf Kur und da musste er was kochen, aber das ist immer noch ein Running Gag bei uns in der Familie. Da hat er mal irgendwas warm gemacht und ich meinte zu ihm: Papa, ich glaube, das bellt noch. Da lachen wir heute immer noch drüber. Eine kulinarische Sache hat er allerdings etabliert. Wir waren früher öfter im Blub (Berliner Luft- und Badeparadies). Kennst du das noch?

Nur vom Namen. So ein Spaßbad, oder?

Gris: Ja genau, das war in Britz. Ist aber schon lange zu. Da konnte man eine Zeitlang noch gute Fotos machen, weil da alles vollgetaggt war, auch in den alten leeren Schwimmbecken. Das war schon cool. Auf jeden Fall waren wir damals sehr oft mit dem Papa dort. Mein Freund Ü. war auch dabei. Nach dem Bad hatten wir immer Hunger und dann hielten wir beim Metzger und Papa kaufte uns belegte Brötchen: Eine Schrippe mit einer daumendicken Scheibe Jagdwurst. Das hat so unglaublich lecker geschmeckt. Ü. hat dann irgendwann ziemlichen Ärger bekommen, weil die Wurst aus Schweinefleisch war, aber die Blub-Brötchen habe ich bis heute noch als Bild im Kopf.

Die gute Jagdwurst. Das wird heutzutage auch gerne in gewissen Gegenden als Schnitzel serviert.

Gris: Ja, paniert. Fürchterlich.

Da schwören aber viele noch drauf. Ich habe es zum Glück nie probiert, muss ich auch nicht, weil ich kein Fleisch mehr esse, aber ich hörte davon.

Gris: Man ist ja verblendet von früher und findet so verrückte Sachen erstmal geil. Dazu gehörte auch der Cheeseburger von McDonalds. Ich habe meine Eltern damals angefleht, dass wir da unbedingt hinmüssen. Meine Oma fand das immer super. Wenn ich bei ihr war zu Besuch, dann habe ich immer die Wohnung gesaugt oder irgendwas mit ihr gemacht. Und sie dann: Los, wir fahren zu McDonalds. Sie hat die Dinger schon ganz gerne gegessen, weil sie aber auch nicht mehr so gut kauen konnte.

Süß. Aber sie hat auch schon mal für dich gekocht?

Gris: Meine Omas haben eigentlich nie gekocht, wobei die andere… krass. Sehr schön, dass du mich das fragst, weil ich mich jetzt seit Jahrzehnten erst wieder daran erinnere. Meine Oma aus dem Osten, also meine Mutter kommt aus dem ehemaligen Osten bzw. als die Mauer gebaut wurde, war sie schon im Westen. Die andere Oma war aber drüben und da haben wir sie immer besucht. Das war so skurril, wie man sich das auch nur vorstellen kann. Und sie hat Eierkuchen mit Apfelstücken gebacken. Das war so unglaublich lecker. Die hatten da einen Bauernhof mit frischen Eiern von den Hühnern. Vermutlich sogar selbstgemachte Butter, eigene Äpfel vom Baum.

Aus der Pfanne?

Gris: Ja.

Ah, klar. Pfannkuchen. Sorry, ich dachte bei Eierkuchen an diesen Kuchen aus dem Osten (Eierschecke). Das ist immer noch verwirrend. Die Berliner heißen bei euch Pfannkuchen…

Gris: Ich meine das Flache aus der Pfanne.

Ja, natürlich. Der Kindheitsklassiker. Pfannkuchen. Lecker. Am Hermannplatz gibt es auch immer noch die Eierkuchen-Bude vorm Karstadt. Da war ich allerdings schon lange nicht mehr. Kochst du denn selbst auch?

Gris: Ja, sehr gerne. Ich hole mir auch gerne was draußen oder esse auswärts, aber ich koche auch relativ oft.

Und was besonders gerne?

Gris: Angefangen haben wir, also nicht nur meine Frau und ich, sondern auch mit meinen Kumpels, meiner Bubble, dass wir versucht haben die Sachen, die wir draußen essen, nachzukochen. Dazu gehörten erstmal so Klassiker wie eine gute Pizza backen. Das dauert ewig, wenn man ein Irrer ist. Oder süß-sauer Sauce vom Chinesen. Hemmungen habe ich immer noch bei der türkischen Küche. Da traue ich mich dann mehr an die italienische Küche, weil ich auch oft in Italien bin.

Ein guter Pizzateig, der braucht schon seine Zeit. Ein Freund von mir ist da auch seit der Pandemie dran.

Gris: Allerdings, der braucht seine Zeit und darüber könnte ich dir stundenlang erzählen.

Dann hast du bestimmt auch den perfekten Sauerteig über die Pandemie gezaubert?

Gris: Nein, das habe ich nicht gemacht. Um es kurz zu gestalten. Das erste Mal waren wir mit dem Leistungskurs in Italien. Das war mein Lieblingskunstlehrer, der damals schon ein Haus dort gekauft und umgebaut hatte. Und dieser Bauernhof ist jetzt der Ort, wo ich schon seit 11 Jahren immer meine Kurse gebe.

Gris im Grishaus, Berlin. Hier finden Workshops, Live-Streams und Interviews statt.

Ah, wie schön. Wo noch mal genau?

Gris: In Umbrien. Casa Simoncelli. Das erste Mal war ich also mit dieser Leistungskurs-Truppe da, das waren zwei Kunstkurse, und die sollten sich gegenseitig bekochen. Wir haben dabei einen Steinbackofen entdeckt, der im Haus integriert war. Für uns war sofort klar: Wir müssen Pizza backen. Der Lehrer hatte zuerst keine große Lust darauf, das war ihm viel zu aufwendig, aber wir haben so lange genervt, bis er dann meinte: Ok, ich rufe jetzt jemanden an und der zeigt euch, wie das richtig geht. Einzige Bedingung, ihr müsst den Ofen erstmal sauber machen. Das haben wir dann auch mit viel Begeisterung gemacht. Am nächsten Tag kam dann die besagte Person. Da stieg diese Braut aus dem Auto. Ich würde mal sagen, sie war so um die 60 Jahre alt. Ich will nicht übertreiben, aber sie hatte Leoparden-Leggings an, blond gefärbte Haare und sah irgendwie wild aus. Sie kam auf uns zu und sagte: Ich zeig euch dann jetzt mal, wie man richtig Pizza backt. Wir haben uns dann über ihren Akzent gewundert, aber später erfahren, dass sie eine Aussteigerin aus Deutschland ist und seit über 15 Jahren dort lebt und kocht. Und sie hat wirklich sehr gut gekocht. Ich habe seitdem niemanden mehr getroffen, der mit ein paar Zutaten so kochen kann, dass es einfach nur krass schmeckt. Man merkte, dass sie in italienischen Häusern gelernt hat. So fing das mit meiner Leidenschaft zum Pizzateig an. Das war vor 25 Jahren.

Jahre später war ich dann bei Schulle, dem Besitzer des Casa und habe dort einen Kurs gegeben. Sorry, das wird jetzt doch was länger, aber das muss ich noch loswerden. Während der Kurse gibt es dort immer Verpflegung und so habe ich Samir aus Syrien, ein Freund von Schule, kennengelernt. Der hat dort mitgekocht. Mit dem habe ich mich gut verstanden und wir haben jeden Tag verschiedene Teige, Pizzateig, Flammkuchenteig, Brötchenteig, ausprobiert und versucht das perfekte Rezept hinzubekommen. In der Malgruppe war ein Teilnehmer dabei, der war Architekt, und der stand daneben und hat uns dann immer ausgerechnet, wieviel Mehl wir gestern hatten und wieviel Wasser heute dazukommen muss. Irgendwann sind wir dann runter ins Dorf zu Gianna. Sie backt seit Ewigkeiten Pizza für die Gemeinde. Wir haben uns dann auch eine bestellt und das erste, was Sami und ich machten, war, dass wir uns ganz genau den Teig anschauten und analysierten. Schulle konnte das dann nicht mehr mitansehen und schleppte uns zu Gianna in die Küche: Hier, die beiden Typen backen seit einer Woche bei mir Pizza, kannst du ihnen bitte verraten, wie man den besten Pizzateig hinbekommt. Giannas erste Reaktion darauf war eine gewisse Geste, von wegen, warum sollte ich euch mein Familienrezept verraten. War dann aber nur Spaß und dann hat sie uns alles erzählt. Von der Menge waren ihre Angaben fast identisch zu unserem Rezept, aber dann meinte sie noch: Dann müsst ihr ihn gehen lassen.
Und wir so: Ja, klar. Meine Mutter hat mir das damals schon beigebracht, dass man Brotteig zugedeckt an einem warmen Ort gehen lässt. Gianna meinte dann aber: Ja, erst mal bei Zimmertemperatur, aber dann kommt der Teig noch in den Kühlschrank. Und zwar richtig lange, für ein paar Tage. Ja, seitdem können wir ganz gut Pizza machen.

Toll. Aber ob sich alle Pizzabäcker noch so viel Mühe geben mit dem Teig?

Gris: Bestimmt nur sehr wenige.

Ein Freund von mir beschäftigt sich auch seit der Pandemie damit. Ich habe sie aber leider immer noch nicht probieren dürfen (Hallo YANNICK!).

Gris: Es würde eine Weile dauern, aber ich könnte dir einen Fotoaustausch zwischen Samir, dem Koch vom Casa und mir zeigen. Wir haben so viele Bilder von Teigen hin und her geschickt mit dem Hashtag #breadporn und Videos mit Soundbeispielen, wie knusprig der Teig ist und so weiter. Das ist eine richtige Leidenschaft. Das macht Bock. Wenn man sich nur darum kümmern müsste, dann wäre das schon großartig.

Hast du denn auch so einen Steinofen zu Hause?

Gris: Leider nicht. Es gibt einen Trick, den verrate ich hier nicht. Aber du bekommst das mit einem normalen Backofen auch ganz gut hin. Ich werde mir aber wahrscheinlich so einen tragbaren Steinofen, Uovo, besorgen. Eine weitere Macke von mir sind: Frühstücksbrötchen.

Ich finde das toll, wenn man sich so leidenschaftlich mit einer Sache beschäftigt. (Gris hat mir den Trick dann doch noch verraten, aber ich sage nichts.) Ich bin da eher Typ, es muss schnell gehen. Ganz einfache Pasta mit zwei, drei Zutaten und fertig.

Gris: Das mag ich auch, aber wenn jetzt zum Beispiel übermorgen jemand käme, den ich bekochen soll. Dann würde ich etwas raussuchen, womit ich heute schon anfangen muss oder Lasagne schon am Vortag machen, weil sie am nächsten Tag noch mal geiler schmeckt.

Ja, klar. Für Gäste gebe ich mir auch noch mal mehr Mühe und koche gerne Sachen vor.

Gris: Ich verstehe aber auch, was du meinst. Zack, zack, nur wenige Zutaten und es schmeckt immer gut.

Und vor Ort, also zum Beispiel in Italien, schmeckt es immer besser.

Gris: Ich glaube, das hat auch mit der Psyche zu tun. Also, zum Beispiel die Dosentomaten, die man ja auch gerne mal in Italien benutzt, kannst du auch hier kaufen. Mit Knoblauch, Zwiebeln und Gewürzen bekommt man eine gute Sauce hin, aber es kommt auch darauf an, wo du bist, und wie es dort riecht, und auch das Licht nimmst du ganz anders wahr.

Du bist schon viel unterwegs und auch häufiger in Italien?

Gris: Gerade war ich für Artisttravel am Gardasee und dann regelmäßig im September im Casa Simoncelli. Und davor bin ich dieses Jahr zum ersten Mal in Venedig. Darauf freue ich mich schon. Ich hoffe, ich kann nach dem Kurs noch ein bis zwei Tage dranhängen.

Das klingt sehr schön. Venedig, da war ich als Kind zuletzt. Ewig her. Und von diesen Seminaren lebst du vorwiegend?

Gris: Ich finanziere mich durch drei Sachen: Kunst, also ich male etwas und jemand möchte es haben oder über Auftragsmalerei…

Dafür fährst du jetzt nach Königswinter und bemalst ein Haus?

Gris: Genau! Das kann ein Sketch sein, ein Plattencover, kleine Zeichnungen oder eben größere Flächen, wie jetzt in Königswinter, eine ganze Häuserwand. Und drittens, Kunst- und Malreisen. Mit den Workshops verdiene ich schon hauptsächlich mein Geld, weil mit der Kunst allein…

Gris malt auch gerne Stofftiere beim Kids-Livestream. Hier werden sie dann auf die Wand gesprüht. Ganz legal auch der Weihnachtsmann nebenan.

Und die Musik? Bei Laut.de gibt es einen Wortlaut von dir, also eine Biografie, sogar noch mit dem Verweis zur MySpace-Seite.

Gris: Ohje.

Machst du noch Musik? Oder bleibt dafür keine Zeit mehr?

Gris: Die letzte Musik, die ich gemacht habe bzw. die für die Öffentlichkeit zugängig ist, war 2015. Da habe ich das letzte Album aufgenommen. Das hieß Hausmusik, weil ich da alles zu Hause aufgenommen habe. Davon gab es 300 limitierte Vinyl-Veröffentlichungen mit handgemaltem Cover. Das war ein schöner Abschluss, weil danach habe ich in Sachen Musik gar nichts mehr veröffentlicht. Ich treffe mich allerdings schon noch mit alten Freunden. Wir haben früher oft zusammen gerappt. In der Regel, abgesehen von Corona, treffen wir uns so ein bis zweimal im Monat und machen Freestyle. Wir rappen dann ein paar Stunden und freuen uns darüber. Drehen durch, als wären wir wieder 17 und dann gehen wir nach Hause. Es gibt dann auch eine Aufnahme vom DJ und die können wir uns zuhause anhören. Das soll und darf dann bitte aber auch niemand anderes hören, weil es schon teilweise spätpubertär, durchgedreht und sehr spontan ist. Ganz ohne Musik halte ich es auch nicht aus, aber ich habe keine Texte geschrieben oder neue Songs aufgenommen, die irgendwie veröffentlicht werden sollen oder müssen.

Es sei denn, der DJ haut dann doch eine Aufnahme raus.

Gris: Wir haben mal mehrere Songs aufgenommen und da meinte einer, hey, die können wir jetzt aber doch mal veröffentlichen. Da habe ich aber sofort gesagt: Nein, wir haben von Anfang an gesagt, dass ist nur für uns. Hätte ich gewusst, dass wir die veröffentlichen, dann hätte ich das so nicht gemacht. Ich möchte nicht, dass der Sohn oder die Tochter, die in meinen Workshop kommen, einen Song finden, der schon auch mal unter die Gürtellinie geht. Das muss nicht sein. Dann haben wir uns darauf geeinigt, dass ein paar Stellen entsprechend gepeakt werden. Letztendlich wurden sie dann aber doch nie veröffentlicht.

Man hätte vielleicht auch was Kinderfreundliches rappen können.

Gris: Es ging ja nie darum, dass wir uns treffen und Songs machen, die jeder hören kann. Dann überlegt man sich schon was anderes.

Verfolgst du denn noch die Szene? Hörst du noch Hip Hop?

Gris: Ja. Aber ich hatte früher auch schon nicht so die Ahnung, also, wer da wer ist und was da genau los ist.

Gab es nie Stress oder Beef? Du bist doch sicherlich auch Bushido oder Sido damals begegnet?

Gris: Sido war damals auch bei Royal Bunker, aber da gab es keinen Stress. Ich war viel zu friedlich, viel zu wenig Angriffsfläche, um da jetzt Stress zu machen. Witzigerweise war ich mal in Kiel und da wurde nach 11 Minuten unser Auftritt abgebrochen. Am nächsten Tag stand dann in einem Forum: Skandal-Rapper Gris: Auftritt wurde wegen sexistischer Aussage beendet.

Hui, was ist da passiert?

Gris: Ich stand auf der Bühne und nach ein paar Minuten haben die den Sound abgedreht. Da war die Hölle los. Es ging um eine Textstelle, die einige der Organisatorinnen schlauerweise zum ersten Mal, obwohl sie mich gebucht hatten, beim Soundcheck vernommen hatten. Die kamen dann zu mir und meinten: Kann das sein, dass du das und das sagst. Und ich so: Ja. Dann gab es eine große Aufregung und ich meinte nur, warum sie sich das vorher nicht angehört hätten? Habt ihr den Kontext nicht verstanden? Letztendlich haben wir uns geeinigt, dass ich zu dieser Stelle eine Anmoderation mache, und die habe ich vielleicht nur zu 95% gut umgesetzt. Vielleicht auch, weil ich nur zu 95% dahinterstand. Und dann haben die uns einfach abgeschaltet und dann ging das Geschrei los. Einer von den Organisatoren kam später zu uns und hat sich entschuldigt und ich meinte nur: Hauptsache, wir bekommen unsere Kohle. Wir saßen dann noch Backstage und währenddessen gab es noch einen kleinen Protest auf der Bühne. Wir sind dann noch mal nach vorne und da standen zehn Frauen, die sich solidarisierten und riefen: Wir wollen Gris!

Jetzt musst du aber noch verraten, um welche Textstelle es ging?

Gris: Es gibt eine Stelle, die den Organisatorinnen wohl zu sexistisch waren, da beschreibe ich jemanden, der halt ein Arschloch ist und an seiner Seite eine stark geschminkte Schlampe hat. Wie sollte ich das sonst ausdrücken? Er ist voll der Wichser, aber die Partnerin, die ihn ausgesucht hat, ist voll die neutrale und gute Frau?  Das war damals schon legendäre. Ich weiß auch noch, dass der Staiger (Marcus Staiger. Autor und Labelbetreiber von Royal Bunker) irgendwo etwas darübergeschrieben hatte.

Schon bescheuert, vor allem, wenn die Organisatoren sich so anstellen. An alle Veranstalter: Bitte die Musik vorher hören.

Gris: Dazu kam ja noch, dass wir dort in einer WG übernachten sollten.

Und das war bei den Organisatorinnen?

Gris: Genau. Darauf hatten wir dann aber alle keinen Bock und es wurde noch ein anderer Schlafplatz gefunden. Aber, warum reden wir darüber? Wir haben das eben kurz angesprochen, was Hater oder jemand der Missgünstig ist im Netz über dich finden kann, um dir zu schaden. Also, die Mutter oder der Vater lassen ihr Kind nicht mehr bei mir malen, weil sie diese eine Textstelle gefunden haben. Darauf muss man eben auch achten, obwohl ich jetzt nicht zu den Gangster-Rappern gehöre. Es gibt diesen Song von mir: „Kiff, Kiff, Hurra“, der in zwei Strophen das Kiffen verherrlicht. In der Dritten wird es dann aber auch schon ein bisschen hinterfragt und mit Augenzwinkern wieder verharmlost, aber trotzdem kann das beeinflussen.

Schon, aber wenn man bedenkt, dass der Song jetzt auch schon älter ist und du ja auch nicht im Workshop sitzt mit Joint und Pulle Bier. Man verändert sich und das kann man seinen Kindern auch vermitteln.

Gris: Das stimmt.

Aber zum Glück kommen ja auch die Kinder zum Malen zu dir ins Grishaus. Das gibt es jetzt schon fünf Jahre, oder?

Gris: Genau.

Da bleibt die Miete auch stabil?

Gris: Ja. Der Vermieter ist sehr nett. Als das mit Corona anfing und keine Veranstaltungen stattfanden, kam er sogar auf mich zu, wie er helfen kann. Er hat dann eine Monatsmiete ausfallen lassen und danach konnte ich mich mit Spenden über Wasser halten.

Wow, das ist wirklich sehr nett und findet man selten. Wie oft malst du eigentlich? Also, abgesehen von den ganzen Live-Streams und Workshops?

Gris: Zu Beginn der Pandemie wurde das schon weniger und ich habe auch die Ukulele für mich entdeckt. Ich sitze dann zu Hause und habe zwei Stunden Zeit und frage mich, zeichne ich jetzt ein Bild oder spiele ich lieber Ukulele. Das wird jetzt aber wieder besser, weil auch wieder mehr Seminare stattfinden. Ich versuche schon jeden Tag zu zeichnen.

Ist das wie bei einem Musikinstrument, dass man ständig in Übung bleiben muss?

Gris: Ja. Wir sind eine Zeitlang regelmäßig zu Drink & Draw gegangen. Die machen Akt- und Porträtkurse auf einem Schiff am Märkischen Museum. Das ist sehr geil.

Trinken und Malen, das klingt gut.

Gris: Wegen Corona war ich da bestimmt 1 1/2 Jahre nicht mehr. Jetzt war ich noch mal mit einer anfänger- und fortgeschrittenen Gruppe da und wir haben ein paar Akte gezeichnet. Erst dachte ich, ah, das geht ganz gut, aber ganz schnell merkst du, dass du das eine längere Zeit nicht gemacht. Man kommt schnell aus der Übung.

Können alle malen? Singen oder Tanzen können ja zum Beispiel nicht immer alle.

Gris: Singen kann schon jeder, aber oft nicht richtig. Du meinst eher technisch?

Genau. In der Musik sollte man schon den Ton halten können oder eben ein paar Akkorde spielen. Ich würde gerne malen, aber kann es einfach nicht oder habe es noch nicht richtig ausprobiert. Vielleicht liegt es auch daran? Ich behaupte von mir, dass ich dieses räumliche Denken nicht habe… Man braucht schon einen Blick dafür und das gewisse Händchen.

Gris: Das ist oft Thema auch in meinen Malreisen und da hat mal jemand ein Zitat von Ronaldo gebracht: „Talent ohne harte Arbeit bedeutet nichts“. Du hast am Anfang richtig Bock und es fällt dir leichter, weil es dich interessiert und du Talent mitbringst, aber das funktioniert alles nur bis zu einem bestimmten Level. Und jemand, der kein Talent hat oder weniger, der kann schon einiges erreichen, aber am Ende fehlen da sicherlich 5 von 100 %. Technisch kannst du alles lernen. Jeder kann lernen fotorealistisch ein Gesicht zu malen. Jeder kann ein Bild von mir abmalen. Mit Übung und viel Geduld. Aber ich glaube, das hört sich immer so doof an, aber dieses Erschaffen und Gestalten, ohne Vorlage, Welten zu bauen oder Gesichter zu kreieren, da weiß ich nicht, ob man das lernen kann.

Wie ist das denn in deinen Anfängerkursen? Gibt oder gab es da mal jemanden, der so gar kein Talent hatte? Oder sind das immer Leute, die schon was können.

Gris: Es sind auch blutjunge Anfänger dabei. Heute zum Beispiel bei meinem Onlinekurs. Da waren auch zwei ältere Damen, die noch nie ernsthaft gemalt haben. Denen sage ich immer, heute geht die Erfolgskurve steil nach oben und später zeigt es sich, ob jemand durchhält. Also, an den Punkt kommt, wo man weitermacht. Aber muss man auch nicht. Viele sehen diese Kurse oder das Malen zu leistungsorientiert oder zu ernst. Ich betone immer wieder, dass es Spaß machen muss. Wenn du unbedingt darin besser werden willst, dann kann man Kurse belegen, Bücher lesen, Wissen holen und üben, aber grundsätzlich sollte es dir einfach gut damit gehen. Entweder man geht Tanzen, um sich zu bewegen oder man geht in eine Tanzschule, um genau den Schritt an der richtigen Stelle zu setzen. Es gibt immer mehr Druck und nur noch wenige Sachen, die nicht leistungsorientiert sind. Da sage ich meinen Teilnehmern immer, seid doch froh, dass es mal nicht so streng sein muss. Viele vergleichen sich auch immer gerne oder wenn ich sage: Das sieht doch gut aus, dann bekommt man oft die Antwort: Ja, aber nicht so gut, wie von dir. Dann muss ich auch antworten: Ja, sorry, dass ich das jetzt schon 35 Jahre mache und du erst seit ein paar Tagen. Und außerdem wäre es ja auch langweilig, wenn alle Zeichnungen so aussähen, wie meine. Leute suchen nach etwas und wollen es immer gleich können, ohne großen Aufwand. Aber das ist jetzt auch nicht die Mehrheit. Bei den meisten siehst du sofort, dass sie glücklich sind und nicht so verbissen und für sich etwas mitnehmen. Ich bekomme oft Feedback, dass die Leute glücklich sind, wenn ein Kurs von mir stattfindet. Auch online, da ist etwas, worauf man sich freuen kann. Das merke ich auch bei mir. Da gibt es Tage, wo man nicht so gut drauf ist, und dann fällt dir ein, hey, heute ist ja noch das oder das und du freust dich auf das Event, wie damals auf einen Kindergeburtstag.

In der Pandemie waren Online-Events ja auch sehr wichtig. Da haben viele Kontakt gesucht oder auch einfach nur Ablenkung.

Gris: In meiner Community bemerke ich das auch. Da haben sich schon Freundschaften gebildet. Man trifft sich online im Kurs oder auch bei einem Livestream, aber dann bilden sich auch Gruppentreffen außerhalb dieser Events. Und so wächst das weiter. Malen ist ein einfaches Hobby und so schön entspannend. Du läufst nicht nervös herum und machst 1000 Fotos, sondern setzt dich hin und zeichnest deine Umgebung oder das Haus oder die Menschen gegenüber.

Ich gucke sehr gerne beim Malen zu. Ich bin auch zu Beginn der Pandemie auf deine Live-Streams gestoßen und das Zuschauen beruhigt und entspannt mich sehr.

Gris: Das mache ich auch gerne. Der Klassiker früher im Fernsehen, Bob Ross.Aber es macht mir auch Spaß den Teilnehmern im Kurs zuzuschauen. Wie machen die das? Was haben die für eine Technik, wenn sie zum ersten Mal ein Dach malen müssen.

Komm wir mullern mal die Wand an.

Und Sprayen tust du auch noch gerne. Oder sagt man sprühen? Demnächst sogar ein ganzes Haus in Königswinter.

Gris: Mullern kannste auch sagen. 

Klingt wie Pullern.

Gris: Böse Zungen sagen das auch. Mit deinen Tags sprühst du dein Revier ab. Aber genau, ich werde dort sehr viel sprühen. Das ist ein zweistöckiges Haus und die sind auch ziemlich cool, denn ich musste keinen Entwurf oder sowas vorher einreichen, sondern ich darf da machen, was ich will. Das kommt nicht so oft vor. Normalerweise sollst du dich bei so einer Fassade auf die Region beziehen oder sie wollen was mit Blumen und freundlichen Farben.

Es wird also eine Überraschung. Weißt du denn schon, was du mullern wirst?

Gris: Bis vor Kurzem wusste ich das auch noch nicht, aber du musst ja viele Dosen bestellen, für sehr viel Geld und dann schon auch ein Konzept haben.

Auftragsarbeit in Königswinter. Fotocredit: Gris

Was kostet denn so eine Spraydose?

Gris: Ne was?

(Ich spreche wohl sprayen und Spraydose nicht richtig aus). Wie spricht man das denn aus?

Gris: Sprühdose.

Sehr witzig.

Gris: Ähm, ungefähr vier Euro und du schaffst ungefähr 1 – 2 Quadratmeter damit.


Ich habe mich auch für deine Graffiti-Tour demnächst angemeldet.

Gris: Hier in Schöneberg? Sehr gut. Das freut mich und macht Spaß.

Die Graffiti-Tour war wirklich toll und hier sieht man mein erstes Tag.

Ich freue mich auch. Und jetzt kommen wir zur Abschlussfrage. Musik und Essen passen zusammen, wie…

Gris: Das sind zwei Sachen, die man nur für sich und das Wohlergehen macht. Es gibt natürlich Konzerte und Restaurants, aber ein gutes Essen oder einen Song schreiben, macht man zunächst für sein eigenes Wohlgefühl. Da gehört auch das Malen dazu. Oder man kann auch sagen, es gibt kein Ergebnis. Das Essen isst man auf und das Lied singt man und dann ist es auch irgendwie gegessen.

Das ist auch nicht schlecht, wobei beim Kochen ja schon das Essen das Ergebnis ist…

Gris: Du hast aber Essen und nicht kochen gesagt.

Stimmt. Ok, du hast bestanden. Sehr schön. Vielen Dank und bis bald.

Gris: Ich danke dir.

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